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Der erste "3+"-Reaktor entsteht derzeit im finnischen Olkiluoto.

Foto: Reuters/Strong

Wien - In Fukushima kämpfen Einsatzkräfte mit sechs alten, schwer beschädigten Reaktoren, 9000 Kilometer weiter westlich diskutieren Experten über neue: Am Mittwoch trifft sich die Fachwelt im Andromeda-Tower in Wien-Donaustadt, um bei einer Konferenz über "Next Generation Nuclear Security" zu diskutieren.

Nach 60 Jahren ziviler Kernenergie gibt es immer noch einen großen Feind: der totale Stromausfall im Kraftwerk, auf Englisch "Station Blackout". In Tschernobyl führte ein Experiment zur Beherrschung des "Station Blackout" zur Katastrophe, auch in Fukushima begann das Unglück mit einem totalen Stromausfall.

Die moderne Antwort auf die Bedrohung sind sogenannte "Passive Safety Features": Sie funktionieren ohne Strom, nur mit den Gesetzen der Physik und der Chemie. Kühlwasser etwa gelangt in diesen Systemen nicht durch Pumpen, sondern die Schwerkraft in die Reaktoren, chemische Stoffe sorgen dafür, dass freigesetzter Sauerstoff nicht explodiert, sondern gebunden wird.

Mensch als Gefahr

Neben einem Stromausfall ist der Mensch eine Gefahr: Weil Arbeiter nicht in den Reaktor hineinschauen können und anfangs über unzureichende oder zu viele verwirrende Daten verfügen, sollen Sicherheitssysteme so ausgelegt sein, dass sie die erste halbe Stunde nach einem Unfall ohne menschliches Eingreifen laufen. Sollte es zu einer Kernschmelze kommen, soll eine Keramik-Wanne die Schmelze auffangen, der sogenannte "Core Catcher". Schmilzt radioaktives Material durch den Behälter, wird es dort aufgefangen und durch ein Kammernsystem verteilt, um es schneller auskühlen und erstarren zu lassen.

Reaktoren vergangener Generationen waren mit drei von einander unabhängigen Sicherheitssystemen, wie etwa Notstromaggregaten, ausgestattet, von denen im Notfall theoretisch jedes einzelne reichen sollte. Bei Reaktoren der Generation 3+ werden es vier sein. Neue Containments müssen dem Einschlag eines Passagierflugzeugs standhalten. Der erste "3+"-Reaktor entsteht derzeit im finnischen Olkiluoto: Der französische Konzern Areva baut dort mit erheblichen Verzögerungen den Prototypen seines "European Pressurized Reactor". Ähnlich konstruiert sind Reaktoren der Firma Westinghouse, von denen einige in China in Bau sind.

Hans-Josef Allelein, Professor für Reaktorsicherheit an der TU Aachen, kritisiert allerdings die hohe Leistung von 16.000 Megawatt, die der Reaktor in Finnland bringen soll. Da bei Kernkraftwerken hohe Baukosten niedrigen Betriebskosten gegenüber stehen, werden sie oft so stark wie möglich gebaut.

Reaktoren der vierten Generation

Seit Jahrzehnten beforscht, aber immer noch nicht absehbar, sind Reaktoren der vierten Generation, etwa Höchsttemperatur- oder Brutreaktoren. Erstere sollen mit Helium statt mit Wasser gekühlt werden und so deutlich höhere Temperaturen erreichen und mit weniger Brennstoff effizienter arbeiten. Letztere sollen aus Uran große Mengen Plutonium produzieren und so ihren eigenen Brennstoff erzeugen.

Sicherer als die Generation 3+ seien diese Konzepte jedoch nicht, meint Allelein. Zudem sei der Hochtemperaturreaktor zu teuer, um nur für die Stromerzeugung lohnend zu sein. Ein Problem, dass auch andere Ideen für sicherere Reaktoren teilen: Kleine, unterirdische AKWs, die seit Jahrzehnten überlegt werden, würden sich nicht rechnen. (Tobias Müller/DER STANDARD-Printausgabe, 13.4.2011)