Petra Saßmann, Bezirksrätin und Klubobfrau der Grünen in der Brigittenau

Foto: Grüne

Seit November besucht Petra Saßmann, Bezirksrätin und Klubvorsitzende der Grünen im 20. Wiener Gemeindebezirk Brigittenau, jeden Stammtisch der islam-kritischen Bürgerinitiative Dammstraße. Die Initiative betreibt die Website moschee-ade.at und hat sich kürzlich mit drei anderen Vereinen zum umstrittenen Dachverband "Bewegung Pro Österreich" (BPO) zusammengeschlossen hat. Dessen Ziel: Der Kampf „gegen die Islamisierung Österreichs" und "gegen islamische Mehrzweckbauten". Nach dem derStandard.at über den neuen Dachverband berichtet hat, haben sich viele Poster gefragt: "Was haben die Grünen in diesem Kulturkampf zu tun?" Benedikt Narodoslawsky hat nachgefragt.

derStandard.at: Frau Saßmann, warum gehen Sie zu den Stammtischen der islam-kritischen Bürgerinitiative Dammstraße?

Saßmann: Wir haben zum Thema Integration eine Podiumsdiskussion in unserem Bezirkslokal veranstaltet, zu der wir unter anderem Flüchtlingshelferin Ute Bock und die Sprecherin der Bürgerinitiative Dammstraße, Hannelore Schuster, eingeladen haben. Es ist sehr heftig, aber nicht untergriffig diskutiert worden. Nach der Veranstaltung hat mich Frau Schuster gefragt, warum die Grünen nie zu den Stammtischen kommen und hat mich eingeladen. Ich habe bis dahin gar nicht gewusst, dass wir bei der Bürgerinitiative willkommen sind. Prinzipiell reden wir mit allen und manche Themen der Bürgerinitiative sind durchaus grüne Kernthemen – Verkehr und Lärmbelästigung zum Beispiel.

derStandard.at: Was machen Sie genau bei diesen Treffen?

Saßmann: Wir diskutieren mit den Menschen der Bürgerinitiative, weil wir die Anliegen der Bürger Ernst nehmen. Auch wenn es arrogant klingt – wir machen Erwachsenenbildung, das heißt, wir wollen den Abbau von Vorurteilen betreiben. Und wenn Vortragende dort bedenkliche Inhalte von sich geben, dann vertreten wir unseren Standpunkt.

derStandard.at: Sie gehen zu den Stammtischen, schlugen aber die Einladung aus des neuen Dachverbands BPO aus. Der wurde zum Schaulaufen der Rechten. Warum haben Sie die Veranstaltung den rechten Parteien überlassen?

Saßmann: Die Bürgerinitiative behauptet von sich, sie wäre parteiunabhängig, aber lässt sich die Homepage von der FPÖ zahlen und hat das FPÖ-Logo auf ihrer Homepage veröffentlicht. Die Bürgerinitiative lässt sich von der FPÖ benutzen. Wir Grüne sind nicht da, um die Bürgerinitiative zu vereinnahmen.

derStandard.at: Trotzdem müssen Sie sich den Vorwurf von Bürgerinitiativensprecherin Schuster gefallen lassen, die Veranstaltung den rechten Parteien überlassen zu haben. Die grünen Argumente blieben an dem Abend ungehört.

Saßmann: Ich habe lange überlegt, ob ich zu der Veranstaltung hingehen soll und habe mich dann dagegen entschlossen. Ich habe kein Interesse, bei einer Veranstaltung unter dem Motto "Gegen die Islamisierung Österreichs" dabei zu sein. Die Bürgerinitiativen produzieren damit nur einen Kulturkampf. Es wäre etwas anderes gewesen, wenn die Veranstaltung unter einem anderen Motto gestanden wäre, zum Beispiel: "Wir haben alle dasselbe Problem – ein kleines Grätzel, in das ein Riesenkomplex kommt, der zum Beispiel baulich bedenklich ist." Aber an einem Kulturkampf bin ich nicht interessiert.

derStandard.at: Sind Sie für ein Burkaverbot?

Saßmann: Es ist nicht leicht, die Frage kurz zu beantworten. Es ist schlecht, wenn Frauen dazu gezwungen werden, Kopftuch oder Burka zu tragen. Die Kritik kann ich gut nachvollziehen. Aber wenn es zu einem Burkaverbot kommt, lassen solche Männer ihre Frauen gar nicht mehr aus dem Haus. Ein Burkaverbot ist da sicher der falsche Weg.

derStandard.at: Wie kann man das Ihrer Meinung nach ändern?

Saßmann: Wie man das Problem mit Burka- und Kopftuchzwang lösen kann, dazu fällt mir keine akute Lösung ein. Fest steht, dass man die patriarchalen Strukturen verändern muss. Das geht nur über Bildung. Da braucht es mehr Durchlässigkeit und das ist wiederum zum Beispiel über die Gesamtschule zu erreichen.

derStandard.at: Gibt es in der Dammstraße viele muslimische Patriarchen?

Saßmann: Die Muslime sind keine homogene Masse. Aber ja, es kann sein, dass es dort auch türkische Patriarchen gibt. Oft kommen sie vom Land und gehören unteren Bildungsschichten an – da gibt es patriarchale Strukturen, so wie es überall am Land in unteren Bildungsschichten patriarchale Strukturen geben kann. Aber man darf Tradition, Kultur und Religion nicht vermengen.

derStandard.at: Gibt es in der Dammstraße Probleme mit diesen Patriarchen?

Saßmann: Davon ist mir nichts bekannt. Ich glaube, viele Österreicher bilden sich ihre Meinung nur aufgrund der Kleidung, die die Muslime tragen.

derStandard.at: Also besteht das Problem nur auf österreichischer Seite?

Saßmann: Nein. Wir haben auch den türkischen Kulturverein ATIB kritisiert, weil seine Homepage nur auf türkisch ist (Anm. ATIB betreibt das Kulturzentrum in der Dammstraße, gegen das sich die Bürgerinitiative auflehnt). Wir haben den Leuten von ATIB geraten, Kontakt mit den Österreichern zu suchen. Aber da gibt es Schwierigkeiten auf beiden Seiten. Beide Seiten haben Berührungsängste. (Benedikt Narodoslawsky, derStandard.at, 12. April 2011)