Wien - In der Causa Immofinanz/Constantia rollt auf die Gerichte an einer zivilrechtlichen Nebenfront eine neuerliche Klagswelle zu. Bis zu 1.500 Anleger, die mit Immofinanz- bzw. Immoeast-Aktien Geld verloren haben, zerren den Wirtschaftsprüfer der beiden Immogesellschaften, KPMG, vor den Kadi. Der Vorwurf: KPMG hätte merken müssen, dass mit dem Firmengeflecht bestehend aus Constantia, Immofinanz und Immoeast etwas "nicht in Ordnung" gewesen bzw. "mit Aktien jongliert" worden sei - und hätte keine uneingeschränkten Bestätigungsvermerke für die Jahresabschlüsse erteilen dürfen. KPMG weist die Anschuldigungen als "vollkommen substanzlos" zurück.

Die Anleger verklagen KPMG allesamt auf Schadenersatz. Eigentlich, so Rechtsvertreter Michael Poduschka zur APA, habe man KPMG ersucht, einen Verjährungsverzicht abzugeben. Da die Gesellschaft dazu aber nicht bereit gewesen sei, seien seine und zwei weitere Kanzleien gezwungen, bis zum Sommer rund 1.500 de facto gleichlautende Klagen einzubringen, damit die Ansprüche nicht verfallen.

KPMG bleibt gelassen

Bei KPMG indes hält man die Vorwürfe für derart ins Leere gehend und "ohne jede Aussicht auf Erfolg", dass man keinen Grund sehe, einen Verjährungsverzicht abzugeben, wie Managing Partner Michael Schlenk sagte. "Es werden uns Dinge vorgeworfen, die gar nicht Gegenstand einer Abschlussprüfung sind." Ein Teil der Anschuldigungen beziehe sich zudem auf Unternehmen - etwa die Constantia Privatbank (CPB) -, die KPMG gar nicht geprüft habe. Von daher sieht Schlenk den Verfahren gelassen entgegen.

Poduschka und seine Kollegen fahren in den Klagen schwere Geschütze auf: KPMG hätte auffallen müssen, dass die Organe der Constantia Privatbank den gesamten Investitionsprozess bei Immofinanz/Immoeast kontrolliert habe und daher ein extrem hohes Risiko von Interessenskonflikten bestanden habe. Weitere Risikofaktoren laut Klage: Die CPB habe aufgrund ihrer Market-Maker-Funktion auf die Kursbildung der Immofinanz/Immoeast-Aktien "signifikanten Einfluss" ausüben können, es habe kein funktionierendes internes Kontrollsystem existiert, und die CPB habe von Beginn an ein "massives Provisionsinteresse" gehabt, was aber weder in den Jahresabschlüssen noch in sonstiger Weise kommuniziert worden sei.

Kurzum: Die Constantia habe Immofinanz und Immoeast "faktisch und rechtlich beherrscht", nicht nur wegen der "weitgehenden Personalunion" respektive "dominanten Funktion" von Karl Petrikovics, bis 2008 Vorstandschef aller drei Unternehmen.

Wegen dieser Beherrschungsverhältnisse, wird in der Klage behauptet, hätte KPMG für alle drei Firmen einen gemeinsamen Jahresabschluss erstellen müssen. "Ferner bestanden erhöhte Prüfungsanforderungen aufgrund des massiven Malversationsrisikos im Hinblick auf den Umstand, dass 19 Prozent des Jahresüberschusses der Constantia Privatbank den drei Vorständen Petrikovics, (Karl) Arco und (Norbert) Gertner zugesichert wurden und diese alleine im Zeitraum 2004 bis 2008 insgesamt ... nicht weniger als 65,4 Mio. Euro generierten", heißt es.

Erhebliche Mittel landen woanders

Auch sei den Wirtschaftsprüfern offensichtlich nicht aufgefallen, dass "erhebliche Mittel" nicht für Investitionen in Immobilien, sondern für "völlig andere Zwecke", etwa den Kauf eigener Aktien, verwendet worden seien. Die Anleger seien darüber jahrelang nicht aufgeklärt worden, und KPMG habe zu keinem Zeitpunkt geprüft, ob der Emissionserlös tatsächlich widmungskonform bzw. gemäß den Angaben im Kapitalmarktprospekt angelegt worden sei. Weiters stößt sich Poduschka an der "mangelhaften Prüfung" der Gebührenverrechnung zwischen Bank und Immofirmen sowie an der angeblichen "Leistungsverrechnung ohne erbrachte Leistungen".

KPMG habe zudem "offensichtlich ungeprüft" die Immobilienwertansätze übernommen, so der Anwalt. "Die im Nachhinein durchgeführten Abwertungen zeigen deutlich, dass es den ursprünglichen Immobilienzuschreibungen in den von der KPMG geprüften Vorjahren an jeglicher Substanz mangelte."

Ein Schaden sei den Anlegern nun dadurch entstanden, dass sie die Immofinanz- bzw. Immoeast-Aktien "im Vertrauen auf die ordnungsgemäße Abschlussprüfung" erworben hätten. "Bei Kenntnis der wahren Tatsachen" hätten sie die Papiere nie gekauft, argumentiert der Advokat.

Schlenk sieht das diametral anders. KPMG sei auch im Nachhinein - und zwar nach "eingehender" Analyse - der Überzeugung, dass die Prüfung von Immofinanz und Immoeast eine "exzellente" gewesen sei.

Mit dem Fall Immofinanz/Constantia sind nicht nur Zivilgerichte befasst, sondern auch die Staatsanwaltschaft, die u.a. gegen Petrikovics wegen Verdachts auf Untreue und Bilanzfälschung ermittelt - es gilt die Unschuldsvermutung. Auch die KPMG wird wegen Verdachts auf Verstoßes gegen das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) als Beschuldigte geführt, wie ein Sprecher der Anklagebehörde bestätigte.(APA)