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Das Areal des AKW Fukushima

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Am Dienstag Morgen ist ein Feuer in der Anlage ausgebrochen, es habe aber schnell gelöscht werden können.

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Japan bewertet die Atomkatastrophe von Fukushima nun als ebenso gravierend wie das Reaktorunglück von Tschernobyl im Jahr 1986. Die Katastrophe werde auf der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (Ines) auf die höchste Stufe 7 statt bisher 5 eingeordnet, teilte die japanische Atomaufsicht am Dienstag in Tokio mit. Die Einstufung beziehe sich auf den Zeitpunkt des Ausbruchs der Katastrophe vor einem Monat. Seitdem sind die Werte der radioaktiven Verseuchung stark gesunken.

Messungen der freigesetzten Radioaktivität legten nahe, dass diese dem Niveau der Stufe 7 entspreche, teilte die japanische Atomsicherheitsbehörde mit. Allerdings liege die Radioaktivität bei einem Zehntel der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl, die als bisher einziger Unfall mit Stufe 7 klassifiziert worden war.

Es handle sich um eine vorläufige Einordnung, betonte ein Sprecher der Atomaufsicht. Die endgültige Bewertung müsse die Internationale Atomenergieorganisation (IAEA bzw. IAEO) vornehmen.

Stufe sieben

Zuvor hatten japanische Medien berichtet, die Atomaufsicht vermute, dass die Menge des freigesetzten radioaktiven Materials für mehrere Stunden die Grenze von 10.000 Terabecquerel überschritten habe. Damit müsste der Unfall mit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl gleichgesetzt werden. Ein mit Stufe 7 eingeordneter Vorfall bezeichnet einen katastrophalen Unfall mit schwersten Auswirkungen auf Menschen und Umwelt.

Bisher gilt für drei Meiler in Fukushima Eins die Stufe 5. Japan hatte am Vortag angekündigt, weitere Gebiete evakuieren zu lassen. Nach der Katastrophe von Tschernobyl in der Ukraine war eine Skala geschaffen worden, um die Öffentlichkeit einheitlich über die Schwere eines Atomunfalls zu informieren. Auf dieser siebenstufigen Ines-Skala (International Nuclear and Radiological Event Scale) hatte bisher nur der Tschernobyl-Unfall die höchste Einstufung 7 bekommen. Auf der internationalen Skala für atomare Vorfälle ist Stufe 7 "schweren Vorfällen" vorbehalten, bei denen "erhebliche Mengen Radioaktivität freigesetzt werden", die einen "bedeutende Effekt auf die Gesundheit und die Umwelt" haben.

Permanente Kühlung

Mehrere Reaktoren der Atomanlage in Fukushima waren bei dem Erdbeben der Stärke 9 und dem anschließenden Tsunami am 11. März schwer beschädigt worden. Nach dem Zusammenbruch der Kühlsysteme hatten sich vier der sechs Reaktoren so stark erhitzt, dass die Brennstäbe teilweise schmolzen. Arbeiter und Ingenieure versuchen seitdem, die Kühlung der durch mehrere Explosionen stark beschädigten Reaktoren wieder herzustellen. Zugleich müssen sie permanent von außen mit Wasser gekühlt werden, um eine neuerliche Überhitzung zu verhindern.

Die deutsche Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) in Köln bewertete am Dienstag die Situation der sechs Reaktorblöcke in der Atomruine Fukushima wie folgt:

In Block 1 ist die Lage seit Tagen unverändert. Reaktorkern und Brennstäbe sind beschädigt und die Kühlsysteme ausgefallen. Der Sicherheitsbehälter in dem stark beschädigten Gebäude ist weiterhin intakt. Kühlwasser wird mit Hilfe einer elektrischen Pumpe eingespeist. Auch in das Abklingbecken für verbrauchte Brennstäbe wurde Frischwasser eingespeist. Um Wasserstoff-Explosionen wie kurz nach der Havarie zu verhindern, versuchen Arbeiter das Luftgemisch im Gebäude durch Stickstoff zu verdünnen.

Bei Block 2 vermuten die Experten ein Leck im Sicherheitsbehälter (Containment). Reaktorkern und Brennstäbe sind beschädigt, auch das Reaktorgebäude hat leichte Schäden. Das stark verstrahlte Wasser im benachbarten Turbinengebäude hatte vermutlich direkten Kontakt zu geschmolzenem Kernbrennstoff. Tagelang sickerte die stark verstrahlte Brühe unkontrolliert ins Meer, dann wurde ein Leck abgedicktet. Am Dienstag wurde im Meerwasser eine Barriere von rund 120 Meter Länge errichtet, um bei einer Leckage radioaktive Stoffe zu stoppen.

Unverändert kritisch

Auch in Block 3 ist die Situation unverändert kritisch. Er gilt auch als gefährlich, weil er Brennstäbe mit hochgiftigem Plutonium-Uran-Mischoxid (MOX) benutzt. Auch in Block 3 sind Reaktorkern und Brennstäbe beschädigt sowie die Kühlsysteme ausgefallen. Das Reaktorgebäude wurde durch eine Wasserstoffexplosion zerstört. Unklar ist noch immer, ob der Sicherheitsbehälter intakt ist.

Im Kern von Block 4 waren zum Zeitpunkt des Erdbebens keine Brennstäbe. Kritisch ist jedoch weiterhin die Lage im Abklingbecken, das nur noch sehr wenig Kühlwasser enthielt. Dieses niedrige Wasserniveau besteht fort, es wird weiter Meerwasser eingespritzt. Die heißen Brennelemente müssen gekühlt werden.

Block 5 und Block 6 sind heruntergefahren worden und haben den Status "kalt und unterkritisch" erreicht. Sie gelten damit als gesichert. Die Stromversorgung steht, auch in den Abklingbecken wird ausreichend gekühlt. In den Dächern wurden Lüftungslöcher geschaffen, um Wasserstoff-Explosionen zu vermeiden.

Neuerliches Erdbeben

Die Betreiberfirma Tepco teilte unterdessen mit, dass das neuerliche Erdbeben, das am Dienstagmorgen den Nordosten der japanischen Hauptinsel Honshu erschüttert hatte, die Atomanlage in Fukushima nicht beschädigt habe. Das Feuer in der von Erdbeben und Tsunami schwer beschädigten Atomanlage Fukushima eins ist gelöscht. Das teilte der Betreiber des havarierten Atomkraftwerks, Tepco, am Dienstag mit. Zuvor hatte ein Arbeiter den Brand nahe des Reaktors 4 entdeckt und die Feuerwehr alarmiert, wie das Unternehmen berichtet hatte. Tepco erklärte nun, das Feuer sei klein gewesen und rasch gelöscht worden. Es habe keine Einfluss auf die Strahlungswerte auf dem Gelände ausgeübt.

Evakuierungsflüge

Die nach dem Störfall verhängte höchste Gefahrenstufe ist für die philippinischen Regierung Anlass für Evakuierungsflüge. Sie will rund 2.000 Landsleute, die im Umkreis von 100 Kilometern um das Atomkraftwerk Fukushima leben, nach Hause fliegen, teilte das Außenministerium am Dienstag mit. Dafür würden Flugzeuge gechartert und die Regierung übernehme alle Kosten. Niemand werde zur Abreise gezwungen, doch sollten die Philippinos voll über die Gefahren aufgeklärt werden. (APA/Reuters)