Die schnelle Einigung über das Hilfspaket für Portugal zeigt wieder einmal, dass die Zukunft der Europäischen Union von der Rettung des Euro abhängt. Zu Recht hat diese Tage der deutsche Vordenker Jürgen Habermas vor der "falschen Konstruktion eines riesigen Wirtschafts- und Währungsraums" gewarnt, dem die Instrumente für eine gemeinsame Wirtschaftspolitik fehlen, und auch davor, dass das Rettungspaket (Kreditgarantien von der EU und dem Internationalen Währungsfond in der Höhe von 750 Milliarden Euro) geeignet sei, gegenseitige Ressentiments zu schüren.

Die drei Länder, die auf Kosten der EU vor der Pleite bewahrt werden sollen, Irland, Griechenland und nun Portugal, sind relativ klein. Ihre unterschiedlichen Finanzprobleme stellen trotz der Milliardenhilfen doch keine existenzielle Bedrohung der anderen 14 Euro-Länder dar. Nun blicken aber die Politiker und Finanzexperten gebannt nach Spanien, dessen Wirtschaftskraft sechsmal so groß ist wie jene der finanziell schwer angeschlagenen drei Länder. Mit Hinweis auf die wesentlich günstigeren Kerndaten beeilte sich die spanische Finanzministerin, Elena Salgado, öffentlich zu betonen, es sei "total ausgeschlossen" , dass ihre Regierung finanzielle Hilfe von Brüssel verlangen würde. Man erinnert sich freilich auch daran, wie Irland, der einstige EU- Musterschüler, nur einige Tage vor der Kapitulation im November 2010 beteuerte, das Land brauche keine Hilfe. Der portugiesische Regierungschef José Sócrates trat wegen der Ablehnung seines Sparpaketes durch die Parlamentsmehrheit zwar zurück, doch hatte er nachher seinem Land sowie letzten Endes auch der EU durch sein Herumlavieren noch mehr geschadet.

Man fürchtet nun die Sogwirkung der jüngsten Marktturbulenzen. Vor allem geht die Angst um, dass die Krise auf Spanien übergreifen könnte. Darüber hinaus ist der von der EU und dem IWF erwartete "breite Konsens" bezüglich der geforderten drastischen Sparmaßnahmen keineswegs sicher. Die jüngsten Daten zeigen, dass Griechenland an der von den Geberländern vorgeschriebenen Rosskur zu ersticken droht. Der frühere deutsche Finanzminister Peer Steinbrück, ein Sozialdemokrat, erklärte vor kurzem offen, an einer Umschuldung Griechenlands werde kein Weg vorbeiführen: Nicht der Euro sei das Problem, sondern der Mangel an Entscheidungsstrukturen; es fehle an politischem Mut, den Tatschen ins Auge zu schauen. Er forderte die Beteiligung von Banken, Fonds und Versicherungen an den Kosten der Eurorettung.

Im Gegensatz zu den jüngsten Unruhen in Brüssel verlief in Budapest die eindrucksvolle Protestdemonstration der europäischen Gewerkschaften völlig friedlich. Es wäre aber unklug zu erwarten, dass die Arbeiter und Angestellten in Griechenland und Portugal die von außen geforderten und für mehrere Jahre vorgesehenen einschneidenden "chirurgischen Eingriffe" in ihren Lebensstandard ohne massive Proteste zur Kenntnis nehmen werden. Zugleich warnen gerade die deutschen Spitzenökonomen vor einer "besorgniserregenden Überforderung" Deutschlands und anderer Geberländer. Die Gefahr eines Flächenbrandes ist auch nach dem Hilferuf Portugals noch keineswegs gebannt. (Paul Lendvai, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.4.2011)