Die Jagdgewehre werden in Tulln fachmännischen Blicken unterzogen.

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Der einflussreiche Raiffeisen-Generalanwalt und Landesjägermeister Christian Konrad (2.v.r.) eröffnete die Messe am Freitag.

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"Heute schon gemulcht?", wird am Eingang gefragt.

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Kinder ballern auf Leinwand-Wildschweine und sammeln Punkte - selbst die "Interessengemeinschaft Liberales Waffenrecht" hat einen Stand bekommen.

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Günther Horak reicht "himmlische" Riesenbrezeln und verteidigt die ÖVP.

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Franz und sein gleichnamiger Sohn haben den Glauben an die Politik verloren.

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Werbestand für Jagd-Reisen: Schützen könnten ihr Eigenheim bald mit einem Zebra schmücken.

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Ehepaar Hellenschuss ist Mitglied im Basset-Club. Mit der Politik will es dagegen nichts zu tun haben.

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Ausgestopfte Hirsche und Wildschweine, dahinter Geländewagen in olivgrüner Lackierung.

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Hüte aller Jägerfarben, als "Messehit" angepriesen.

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Am Seiteneingang wird man von Tierköpfen begrüßt.

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Hubert Denk (M.) mit Kollegen vom Jagdverband: "Die ÖVP ist nicht nur der Strasser."

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Tulln – Das Fell der ausgestopften Biber, Füchse und Feldhasen glänzt geschmeidig. Die Jagdgewehre sind poliert. Ein Reisebüro, das mit Safari-Urlauben wirbt, hat seinen Stand mit dem Fell eines Zebras tapeziert. "Ich fang' erst zum Jagern an, wenn die Politiker freigegeben werden zum Abschuss", ruft ein dicker Mann mit Baseballkapperl, und ringsum lachen die Besucher.

Die Jagdmesse in Tulln, das ist eine Messe der schwarzen Stammklientel im schwarzen Kernland Niederösterreich. An jedem Stand würde die ÖVP problemlos die absolute Mehrheit schaffen. Doch was sagt diese unerschütterliche Basis zur Affäre um Ernst Strasser? Und zum Zustand der Volkspartei und ihres kranken Obmanns?

"Der Josef hat das nicht gewusst"

Der Standler Günther Horak aus Wiener Neudorf – Bart, breite Schultern, kräftiger Händedruck – reicht Riesenbrezeln und sagt, sie schmecken "himmlisch". ÖVP-Obmann Josef Pröll kennt er persönlich. Wenn er von ihm spricht, nennt er nur seinen Vornamen. "Der Josef hat das sicher nicht gewusst. Er hätte ihn sonst ja viel mehr gedeckt", spekuliert der stämmige Brezelverkäufer über den mutmaßlichen Korruptionsfall des ehemaligen EU-Politikers Strasser. Ob Pröll an der Affäre mitschuld sei, weil er Strasser zum EU-Spitzenkandidaten kürte? "Ich glaub' nicht, dass der Josef einen Fehler gemacht hat. Du kannst in einen Menschen nicht reinschauen." Horak sei "bewusst unparteiisch", aber die ÖVP verteidigt der Niederösterreicher trotz der Rücktritte von Strasser und seiner Kollegin Hella Ranner: "Man kann nicht eine ganze Idee wegwerfen, nur weil zwei Leute in die eigene Tasche gewirtschaftet haben."

Viele Messebesucher führen heute in Tulln ihr bestes Jagdgewand aus, tragen tannengrüne Stehkrägen und Filzhüte. An den Langos und Schaumbechern beim Eingang ziehen sie Jagdterrier und Pudelpointer vorbei, die sich dann drinnen in der Halle ankeifen.

Strasser und das Politiker-Image

Zuerst kommt der Stand mit den Schießgewehren, dann der mit den Hörgeräten. "Es gibt genug alte Jäger, die schon schlecht hören", sagt die Verkäuferin und verteilt ein Büchlein, auf dem steht: "Damit Ihr nächster Schuss nicht nach hinten losgeht." Franz steht wenige Schritte daneben, der Pensionist schießt sechs bis sieben Rehe im Jahr. Für die Messe hat er sich mit grünem Jacket zurechtgemacht, auf seinem Jägerhut stecken Wildschweinborsten, Abzeichen mit dem Landeswappen und zwei Hirschzähne, eingefasst in Silber.

Er redet lieber übers Schießen als über die ÖVP: "Wenn du die Politik in die Jagd bringst, kannst du die Jagd vergessen." Am Stammtisch wolle man keinen Streit. Eine Meinung hat Franz trotzdem: "Die Politiker sind alle Gauner. Die Roten und die Schwarzen gehören einmal gemeinsam drei Wochen in den Keller gesperrt, damit sie wieder nüchtern rauskommen." Sein Sohn, ebenfalls Franz, steht neben ihm. Er verdient sein Geld als Tierpfleger, in der Freizeit geht er auf die Pirsch. Der Fall Strasser schockiert auch Franz Junior nicht: "Einer muss den Schädl hinhalten und die Krot fressen. Aber die anderen sind auch nicht anders. Strasser wird nicht der einzige gewesen sein."

Lockruf für Brunfthirsch

Die Standler bieten feil, was Waidmänner brauchen: Hüte, Jacken und Schuhwerk, GPS-Geräte, Gehörschutz, Jagdflinten. Alten Berufen wie dem Tierpräparator und dem Büchsenmacher wird hier noch zu ihrem Recht verholfen. Über Angelruten und Gewehrläufe wandern prüfende Blicke.

Beim Stand gegenüber setzt sich ein Verkäufer ein Instrument an den Mund und röhrt wie ein Hirsch.

Weiter vorne spielen die Jagdhornbläser ihre alten Waldmelodien, und den ganzen Tag über duftet es nach frischem Rindenmulch, mit einer Nuance Käsekrainer und Backhuhn. "Heute schon gemulcht?", fragt ein Schild.

Jäger sind Naturschützer, sagen die Jäger

Die Welt der Jäger. Hier darf man noch Tiere essen. Hier darf man noch große Autos und auf Safari fahren. Und täglich stirbt das Murmeltier, denkt der unbedarfte Besucher. Doch der Landesjagdverband Niederösterreich, dem Raiffeisen-General Christian Konrad als Landesjägermeister vorsteht, tritt für ein positives Image der Zunft ein. "Schon in Schulen und Kindergärten wird den Kindern vor Augen geführt, was der Jäger wirklich macht, dass er nicht nur Tiere totschießt", erzählt Martin Grasberger, Angestellter des Verbandes und Redakteur der Mitgliederzeitung "Weidwerk". Die Jagd übernehme heute viele Aufgaben des Naturschutzes, und "das Klischee des bösen Jägers, des Bambi-Mörders" habe nichts mit der Wirklichkeit gemein. "Ein erstklassiges und sehr gesundes Fleisch" bewirbt Grasberger etwa, "weil das Wild keinen Stress erlebt. Wenn das auf der Wiese steht, hört das den Schuss nicht einmal."

Hinter vorgehaltener Hand murren viele Standler über den mauen Besuch an diesem Wochenende. Der Altersschnitt verheißt wenig Besserung: "Die Zielgruppe auf der Messe ist 50 plus", meint ein Trachtenverkäufer.

Strassers fehlender Spürsinn

Wer die Halle über den Seiteneingang betritt, dem blicken erst mal Köpfe toter Tiere entgegen: Rotwild, Dammhirsch, Keiler, Mufflon – "Waldsterben" aufs Holzgestell montiert. In der Mitte der Halle zerren Terrier einen toten Fuchs unter Applaus aus einem künstlichen Fuchsbau. Der Hund von Brigitta und Horst Hellenschuss wirkt da viel friedlicher. Timur ist ein Basset Hound – eine Rasse mit Schlappohren, kurzen Beinen und guter Spürnase. Inspektor Columbo hatte so einen.

"Er ist 'Austrian Double-Champ'. Da geht es rein um die Schönheit", sagt Brigitta Hellenschuss, die eine goldene Brosche des spürsinnigen Bassets auf ihrem Lodenjancker trägt. Was sie über den Spürsinn des Ex-Politikers Strasser sagt? "Der eine ist vifer, der andere nicht. Butter haben alle Politiker am Kopf." Und ihr Mann Horst wirft ein: "Aber sie wursteln sich schon wieder raus. Eine Hand wäscht die andere."

Jäger bangen nicht um ihre ÖVP

Hubert Denk hat gerade, im Halbkreis mit seinen Jagdhorn-Bläsern, den Bärenjägermarsch gespielt. Jetzt stößt er mit ihnen im großen Zelt des Landesjagdverbandes mit einem Cuvée an. Denk ist Obmann seiner Blaskapelle, zudem Jagdleiter in Krems. Im Landesjagdverband, der 31.000 Mitglieder zählt, steht man noch offen zur Partei. "Das vom Strasser war sicher nicht förderlich", soviel sagt Denk schon. Die Familie Pröll kennt der 52-Jährige persönlich. "Der Erwin ist kein Jäger, der Josef schon, aber ich selber habe ihn noch nie gesehen", erzählt Denk.

Denk schaut verdutzt drein, wenn man ihn fragt, ob es bald wieder bergauf gehe mit der ÖVP. "Warum soll die Partei darnieder sein? Vom Strasser kann man nicht auf die ganze Partei schließen. Die ÖVP ist nicht nur der Strasser." Die Männerrunde um Denk stimmt zu. Er bangt nicht um künftige Wahlerfolge, dazu hat er seine eigene Theorie: "Schlussendlich wird sich nichts ändern. Es wählen vielleicht weniger die ÖVP, aber es gehen auch immer weniger Leute wählen. Dadurch kriegt die ÖVP immer die gleichen Prozent."

Den Niederösterreicher treibt eine ganz andere Frage um: "Interessant wird's erst dann, wenn der Pröll-Erwin nicht mehr antritt. Solange er antritt, ist er unumstritten." Einer Sache ist Denk sich gewiss: "Wenn der Pröll-Erwin einmal weg ist, wird das so wie nach dem Tito. Dann werden sie alle streiten." (Lukas Kapeller, Benedikt Narodoslawsky, derStandard.at, 12.4.2011)