Wahlsieger Alassane Ouattara fordert unterdessen eine Aufhebung der EU-Sanktionen.
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Genf/Abidjan - Mitarbeiter der Uno haben im Westen der Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste) 115 Leichen innerhalb von 24 Stunden gefunden. Einige der Opfer seien lebendig verbrannt worden, andere seien in einen Brunnenschacht geworfen worden, teilte der Sprecher des Uno-Menschenrechtskommissariats, Rupert Colville, am Freitag in Genf mit. Offenbar handelt es sich um Opfer ethnisch motivierter Gewalt.
Die Opfer wurden an drei verschiedenen Orten gefunden, darunter auch 15 Leichen in der westlich gelegenen Stadt Duékoué. Die Entdeckung kommt, eine Woche nachdem das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) von Massakern in Duékoué mit mindestens 800 Toten berichtet hatte. Laut der UN-Mission Unoci könnten Anhänger des offiziellen Wahlsiegers Alassane Ouattara dafür verantwortlich gewesen sein - aus Rache an Truppen des abgewählten Laurent Gbagbo.
"Abscheuliche Rachemorde"
"Mit diesen abscheulichen Rachemorden in Duékoué und mehr als 100 Leichen, die wir gestern gefunden haben, kann man von einer Eskalation sprechen" , sagte Colville zu Journalisten. Es sei schwer zu sagen, wer für die jüngst entdeckten Opfer angesichts der ethnischen Spannungen dort verantwortlich sei. Die anderen beiden Fundorte sind Guiglo und Blolequin.
Diese Spannungen sind in der Region im Westen des Landes, dem Zentrum des Kakao-Anbaus, alles andere als neu. Die Bruchlinien aufgrund von Religion und Stammeszugehörigkeit entsprechen jenen zwischen dem aus dem muslimischen Norden stammenden Ouattara und dem aus dem christlich und animistisch geprägten Süden stammenden Gbagbo. Zudem gibt es dort aufgrund der Kakaoplantagen viele Einwanderer den Nachbarländern wie Burkina Faso und Mali.
"Diese Morde entlang ethnischer und religiöser Linien, die von beiden Seiten verübt werden, zeigen die tiefe Spaltung in Côte d'Ivoire" , meint Corinne Dufka von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Ouattara müsse diese Spaltung überwinden, das Land versöhnen und dafür sorgen, dass die Täter zur Verantwortung gezogen werden.
Doch der Machtkampf zwischen den beiden Rivalen setze sich auch am Freitag fort. Gbagbo verschanzte sich weiterhin im Bunker des Präsidentenpalastes in Abidjan. Ouattara erklärte die Gegend um das Gebäude zur Sperrzone, seine Kämpfer belagern die letzte Bastion Gbagbos seit Tagen.
Außerdem drängt Ouattara auf eine Aufhebung der EU-Sanktionen gegen das Land, weil er den Kakaohandel wieder aufbauen will. In Brüssel hieß es, eine Entscheidung darüber könne am Dienstag fallen.
Hilfsorganisationen warnen unterdessen vor einer humanitären Notlage. Hilfe für Menschen in Abidjan sei wegen der anhaltenden Kämpfe derzeit nicht möglich, teilte Caritas International mit. Doch auch die Situation in den Flüchtlingslagern im angrenzenden Liberia sei dramatisch. Dorthin sind laut UN bisher rund 130.000 Menschen geflohen. Engpässe gebe es bei der Versorgung mit Medikamenten, Lebensmitteln, Wasser, Kleidung und Notunterkünften. (Reuters, red/DER STANDARD, Printausgabe, 9.4.2011)