Wien - Es gab Zeiten, da galt es unter Offizieren als ausgemacht, dass man sich nicht an die parlamentarische Bundesheer-Beschwerdekommission wendet. Inzwischen haben sich schon Offiziere im Generalsrang an seine Einrichtung gewendet, sagt Kommissionsmitglied Paul Kiss (ÖVP). Der aus der Funktion des Generalstabschefs abberufene General Edmund Entacher hat dies noch nicht getan, aber da wäre eine amtswegige Prüfung möglich, sagt Vorsitzender Anton Gaál (SPÖ).

Gaál bezeichnet den Parteifreund als "hochgeschätzten Offizier", mit dem er vor Einleitung eines Verfahrens Rücksprache halten werde. Aber wenn Entacher einverstanden wäre, dann will er "umfassend prüfen" und auch Minister Norbert Darabos (ebenfalls SPÖ) dazu vernehmen.

Dass Generäle wie Entacher oder der ebenfalls von Darabos seiner Funktion enthobene Air-Chief Erich Wolf zum Fall für die Beschwerdekommission werden, ist typisch für die Entwicklung der Einrichtung, die ursprünglich zum Schutz der Wehrpflichtigen geschaffen wurde: Deren Beschwerden machten 2010 nur 26 Prozent der Fälle aus, 2009 gar nur zwölf Prozent - die Mehrheit der Beschwerden kommt vom Kader. So machen sich Gaál und Kiss auch keine Sorgen, dass ihre Einrichtung bei einer allfälligen Abschaffung der Wehrpflicht unnötig werden könnte. Denn in einem derartig hierarchisch strukturierten System wie dem Militär komme es unabhängig vom Wehrsystem zu Reibereien.

Schikanen im Dienst

Die meiste Aufmerksamkeit liegt nach wie vor auf Schikanen und Beschimpfungen durch Vorgesetzte - auch wenn die Lektüre des am Freitag vorgestellten Berichts über das Jahr 2010 zeigt, dass die Vorfälle im Vergleich zu früheren Jahren nicht nur weniger (nämlich 337) geworden sind, sondern dass sie auch vergleichsweise harmlose Zwischenfälle betreffen.

Wobei Kiss und Gaál betonen, dass das Verhalten mancher Soldaten dennoch nicht einfach übergangen werden könnte, weil diese damit das gesamte Heer schädigen - wenn sie etwa drohen, "I reiß euch alle miteinander den Oarsch auf" oder "I zah' eam persönlich auf den Eiern durch den Ort".

Unbelehrbare müssten aus dem Dienst entfernt werden, fordert Kiss. Er attestiert Darabos, dies auch zu veranlassen, insbesondere in Fällen rechtsextremer Äußerungen. Auch auf andere wirke das Aufzeigen von Fehlverhalten in gewisser Weise pädagogisch: "Aha, jetzt muss ich mich vielleicht doch am Riemen reißen", sei eine typische Einsicht von Ausbildnern mit allzu lockerem Umgangston. Dass sich dieser gebessert hat, habe vielleicht auch mit der Integration von Soldatinnen zu tun, "da ist es zu einem anderen Denken bei den Männern gekommen", beobachtet Kiss.

Übrigens: Von den 337 Beschwerdeverfahren erwiesen sich am Ende nur 54 Prozent als berechtigt. (Conrad Seidl, DER STANDARD, Printausgabe, 9./10.4.2011)