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Demonstrantinnen am 1. April auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Ihre historische Rolle beim Umsturz ist unbestritten, um ihren Anteil an der Zukunft müssen sie aber weiter kämpfen.

Foto: AP/dapd/Khalil Hamra

Medienunternehmerin Amani Eltunsi (27)

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Kairo/Wien - Die Revolutionärinnen haben ein bisschen Angst vor dem ersten frei gewählten Parlament Ägyptens, das sie im September bekommen sollen: "Sie werden sich jedes Gesetz vornehmen" , sagt Nehad Komsan, Leiterin des Zentrums für Frauenrechte in Kairo zum Standard, "das eine wird ,unislamisch‘ sein, das andere ein ,Mubarak-Gesetz‘." "Sie" , das sind Islamisten aller Couleurs, die Muslimbrüder, aber vor allem die extremen Salafis, die die islamische Welt am liebsten in die Zeit von Prophet Muhammad zurückkatapultieren würden. Und die Frauenrechte sowieso.

Die historische Rolle, die die ägyptischen Frauen beim Umbruch gespielt haben, als am Tahrir-Platz "alle einfach nur Ägypter" waren, kann ihnen niemand nehmen. Um ihren Anteil an der Zukunft müssen sie jedoch bangen. Die Freiheit gibt jenen religiös-konservativen oder radikalen Kräften politischen Raum, die unter Hosni Mubarak unterdrückt waren. Erschwerend ist auch, dass Suzanne Mubarak, die Frau des Präsidenten, "auf die Frauenrechte aufgesprungen" war, um sich international zu profilieren, wie Komsan sagt: "Es heißt jetzt schon: Wir wollen die Gesetzgebung der Lady abschaffen." Das wäre aber eine klare Verschlechterung für die Frauen. Denn so kommen auch Gesetze wie das fortschrittliche Staatsbürgerschaftsrecht von 2004 in Verruf, das Frauen erlaubt, ihre Staatsbürgerschaft an ihre Kinder (und Ehemänner) zu übertragen.

Komsan, die das Zentrum 1996 gegründet hat, weiß, dass Übergangszeiten immer schwierig für Frauen sind und dass eine Revolution die Frauen nicht automatisch befreit. Umso wichtiger sei es, jetzt für Frauenrechte einzutreten. Das Zentrum - in dessen Veranstaltungen übrigens auch Frauen mit Niqab, dem in Ägypten gänzlich kulturfremden Gesichtsschleier, kommen - habe in mehreren Bereichen ganz konkrete Gesetzesvorschläge erarbeitet, zu häuslicher Gewalt, Familienstandsrecht, sexueller Belästigung und anderem.

Drohungen per SMS

Die Journalistin Karima Kamal von der Zeitung Al-Masry al-Youm nimmt auch die extremistischen Angriffe auf Frauen, die nicht islamisch gekleidet sind, sehr ernst: Nein, das seien keine Gerüchte, auch die vielen Entführungen seien Realität. Die Aktivistin und Journalistin Amani Eltunsi ist da nicht so sicher. Sie berichtet zwar von SMS, in denen Frauen wie sie mit dem Tod bedroht werden, wenn sie ohne Kopftuch ausgehen, aber "wenn man dann auf die Straße geht, passiert nichts" . Sie glaubt, dass sich alte Regimekräfte als Salafis ausgeben, um Unsicherheit zu säen.

Amani Eltunsi (27) ist die Gründerin eines Online-Radios mit dem Namen Banat-wa-bass, "Nur Mädchen" , das so ziemlich das genaue Gegenteil eines Girlie-Radios ist. Für fünf Millionen Userinnen macht sie Beiträge über das "echte Nahost-Mädchen, innen und außen" , über den Blick der Gesellschaft auf Mädchen und Frauen, ein Programm "Im Namen meines Körpers" , während der Revolution "Mädchenwünsche vom Tahrir-Platz" und jetzt politische Bildung unter dem Titel "Was ihr wissen müsst" - ohne Wahlempfehlungen abzugeben, betont sie.

"Die Frauen im Nahen Osten brauchen einen fundamentalen Wandel" und mit ihnen die ganze Gesellschaft, deren Einstellung zu Sex von einer Porno-Website stammen könnte, sagt Eltunsi, die gerade selbst an einem Buch über geschiedene Frauen schreibt. Sie kann es in ihrem eigenen Verlag Shabab Books herausgeben - den sie gründete, als ihr in der Wirtschaftskrise wegen der ausbleibenden Werbeeinnahmen finanziell das Wasser zum Hals stand und ihr fürs Radio aufgenommener Kredit zu platzen drohte.

Eltunsi ließ mit ihrem letzten Geld ein Buch eines Freundes drucken, das von allen Verlagen abgelehnt worden war: über Homosexualität in Ägypten (Mostafa Fa-thi: Die Welt der Knaben). Die gedruckten Bücher packte sie zu Hunderten in ihr Auto und verkaufte sie persönlich an Buchhandlungen. Die Rechnung ging auf: Radio gerettet, wichtiges Buch gedruckt.

Im Laufe der Revolution war sie kurz verhaftet, umso mehr erlebte sie den Tahrir-Platz als große Befreiung, denn da war der Blick der Männer auf die Frauen plötzlich wirklich anders. Und das galt sogar für die Gegenseite, sagt sie. Das sei aber jetzt vorbei: "Jetzt brauchen wir noch eine extra Revolution für die Mädchen." (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 9./10.4.2011)