Maximilian Ledochowski ist Ernährungsmediziner in Innsbruck.

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Vor der Globalisierung waren Genetik und Esskultur perfekt aufeinander abgestimmt. Das hat sich geändert. Am Beispiel der Milch lässt sich das hervorragend demonstrieren. Milch gilt in unseren Breiten als ein Nahrungsmittel, das weit über das Säuglingsalter hinaus konsumiert werden kann. Die Mehrheit der Weltbevölkerung, nämlich 75 Prozent, verliert jedoch nach dem Abstillen die Fähigkeit, den in der Milch enthaltenen Milchzucker, die Laktose, aufspalten zu können. Die Folgen: Durchfall, Blähungen, Bauchschmerzen. Warum sie entstehen? Weil bei diesen Menschen ein Enzym namens Laktase fehlt, die den Milchzucker aufspalten kann. In der Folge wachsen Bakterien im Darm, die die unverdaute Laktose vergären.

Einer der prominentesten Patienten für Laktose- intoleranz dürfte übrigens Darwin gewesen sein. Seine Beschwerden waren auf Reisen immer wie weggeblasen. Dieses Phänomen ist bei Patienten auch heute noch weit verbreitet. Kaum sind sie in Urlaub, verschwinden ihre Beschwerden. Spontan schreiben sie das der Stressreduktion zu, in Wirklichkeit ist es aber so, dass in den Küchen der klassischen Urlaubsländer (Mittelmeerraum, Asien, Afrika, Südamerika) kaum laktosehältige Milchprodukte verwendet werden.

Dabei ist es in der globalisierten Welt nicht einfach, den Überblick zu behalten. Das liegt an der Migration und den veränderten Ernährungsgewohnheiten, die Menschen zu schaffen machen. So verträgt ein Grieche ein in seiner Heimat hergestelltes Joghurt viel besser, weil dort der Fettgehalt höher ist und die Rest-Laktose im Vergleich zu hiesigen Joghurts besser verdaulich ist. Darüber hinaus werden viele in unseren Breiten produzierte Lebensmittel mit Milchpulver versetzt und dann in Länder exportiert, in denen die Menschen Laktose nicht vertragen. Zur Erinnerung: Drei Viertel der Weltbevölkerung vertragen keinen Milchzucker, die Exportindustrie nimmt darauf wenig Rücksicht. Gesundheit ist nicht ihr Geschäft. (DER STANDARD Printausgabe, 11.04.2011)