Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Und ein paar Videobilder, unterlegt mit O-Ton in österreichischem Provinz-Englisch versetzen ein Land in eine Sauberkeitshysterie, die schon jetzt befürchten lässt, dass der moralische Kraftaufwand in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis zum ersehnten Effekt stehen wird. Die Forderung eines Bundespräsidenten, saure Wiesen trocken zu legen, ist ein paar Jahrzehnte alt und war schon zu ihrer Zeit zwar aktuell, aber nicht mehr originell. Jetzt hallt der Ruf erneut durchs Land. Allenthalben wird an Ehrenkodices gebastelt, werden neue Sauberkeitsgebote erfleht und Transparenzregeln versprochen. Die Volkspartei tut es, ihr neuer Delegationsleiter in Brüssel tut es, und der gegenwärtige Bundespräsident, weniger agrarisch formulierend als sein Vorgänger, tut mit: Er fordert "vereinte Anstrengungen, um Korruption energisch zu bekämpfen."

Und wem haben wir das alles zu verdanken? Keinem anderen als Ernst Strasser! Was - wobei wir den Toten einmal ruhen lassen - einem Karl-Heinz Grasser, einem Uwe Scheuch, Meischberger & Hochegger, einem Rumpold etc. bisher nicht einmal so richtig bei der Justiz, geschweige denn bei der Politik gelungen ist, nämlich Bewegung zu erzeugen, das hat Strasser mit einem einzigen Auftritt geschafft. Zwar haben Höchstrichter, der Rechnungshofpräsident und auch der Bundespräsident die Malaise immer wieder angesprochen, der Widerhall hielt sich, weil politisch gebremst, in Grenzen. Verjährung und Verfahrenseinstellung, das waren bisher die stärksten Reaktionen der Obrigkeit. Die Justizministerin hat das Korruptionsstrafrecht eben entschärft, aber nun soll es endlich in die andere Richtung gehen, denn die bisher für seine Anwendung in Frage Kommenden könnten inzwischen aus dem Schneider sein.

Warum ÖVP-Klubobmann Kopf jetzt den richtigen Zeitpunkt für gekommen erachtet, über ein Paket mit Transparenzregeln zu reden, lässt sich weniger mit politischer Waschneurose als eher mit der verzweifelten Lage erklären, in die ein ehemaliger Innenminister seine Partei gebracht hat. Doch was Strasser - vielleicht, Unschuldsvermutung! - vor allem gemacht hat, war: unter Beihilfe moderner Technologie sich selber lächerlich. Ein Klacks gegen das, was sich hätte verhindern lassen, hätte man den richtigen Zeitpunkt zehn Jahre früher gefunden, als jene immanente Korruption Schule machte, in jeder Hinsicht ungeeignetes Personal bewusst mit Regierungsämtern zu betrauen und dann, folgerichtig, alle Vorgänge um Eurofighter-Kauf und Buwog-Verkauf billigend in Kauf zu nehmen.

Traurige Ironie oder tiefere Gerechtigkeit, dass die politischen Nutznießer der Meinungsumfragen von heute aus demselben populistischen Eck kommen wie die materiellen Nutznießer von damals? Jetzt soll ein für allemal alles, vom Kammerlobbyisten bis zum Zeitungsinserat, vom Politiker-Nebenjob bis zur Parteienförderung unter das Diktat eiserner Sauberkeit gestellt werden. Toll - wenn es gelingt. Ernst Strassers aufrüttelnde Wirkung in Ehren. Aber bisherige Reformerfolge auf anderen Gebieten legen gelinde Skepsis nahe. (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 8.4.2011)