Auch über ÖBB-Italien-Geschäfte wird Gras wachsen.

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Wien - Die Detektivarbeit in der ÖBB-Gütersparte geht weiter. Der internen Revision, die die fragwürdige Gebarung der Rail Cargo Austria (RCA) in Rumänien, Slowakei, Griechenland, Ungarn und Italien unter die Lupe nahm, folgte eine "Legal due diligence". Dabei prüfen die ÖBB-Rechtsexperten, ob die verlustreichen Auslandsprojekte strafrechtlich relevante Tatbestände darstellen, wie ÖBB-Holding-Chef Christian Kern auf Standard-Anfrage sagte. Bis dato habe man dafür aber keine Anhaltspunkte aufgespürt.

Einer könnten die 7,8 Millionen Euro Kaufpreis sein, die RCA für die Totalübernahme ihrer (vom RCA-Speditionsableger Express Italia gemanagte) Enkelin Magazzini Desio Brianza (MDB) an ihren Partner Gruppo Lucefin zahlte. Ob der Preis für die MDB-Hälfte tatsächlich um bis zu fünf Millionen Euro zu hoch war, wie die Anfang 2008 installierte RCA-Führung rund um Friedrich Macher, Günther Riessland und Ferdinand Schmidt (seit 2001 an der ÖBB-Güterverkehrsspitze; Anm.) argwöhnte, ist nicht erwiesen.

Faktum ist, dass der Preis vom Vorgänger-Vorstand als hoch eingestuft und bewusst in Kauf genommen wurde. Denn im Antrag an den RCA-Aufsichtsrat am 1. August 2007 begründeten Gustav Poschalko, Ferdinand Schmidt und Erich Söllinger (war auch Finanzvorstand der ÖBB-Holding, Anm.) die 7,8 Mio. Euro so: "Im Coopetition-Verhältnis (sic) der RCA zu Railion und SBB ... ist die Verfügungsgewalt über die Assets strategisch relevant." Diese Meinung teilten die damaligen RCA-Kapitalvertreter Horst Pöchhacker, Franz Rauch, Karl Sevelda, Herbert Kaufmann und Siegfried Meisel und genehmigten den Deal per Umlaufbeschluss.

Ähnlich verlief die Bereinigung bei dem analog konstruierten MDB-Zwilling, dem 2001 gegründeten Logistikcenter Magazzini de Veneto Orientale (MVO) in Santo Stino di Livenza. Auch hier gab RCA ihre 50 Prozent an der Grundstücks- und Lagerhallen-Besitzgesellschaft ab und übernahm die Hälfte der Betriebsgesellschaft des Umschlagplatzes für Stahl, Chemie und Papier. RCA zahlte Lucefin bei MVO aber nicht aus, sondern trat an diesen zehn bis zwölf Millionen Euro an Schulden ab.

Vorteilhaft oder nicht: Der Ausstieg aus den Joint Ventures - just nachdem RCA und Lucefin das Sorgenkind MVO durchgefüttert hatten - verfolgte wohl ganz andere Ziele. Denn die Politik und das ÖBB-Holding-Vorstandsduo Martin Huber und Erich Söllinger verfolgten neue Pläne: RCA sollte gemäß Letter of Intent aus dem Jänner 2006 mit der Deutschen Bahn kooperieren, "bis hin zu Kapitalverflechtungen in allen wesentlichen Funktionsbereichen, insbesondere in Güterverkehr/Logistik. Da braucht man - erraten - Assets, also das Sagen im Bahnbetrieb.

Bergab auf Linie

Ab 2008 ging es dann richtig bergab. Da gründete die RCA-Führung rund um Friedrich Macher mit den Partnern FVH (33 Prozent) und Familie Pastorino (zwölf Prozent) einen weiteren Italien-Ableger: Linea S.p.A., zu 55 Prozent im Eigentum der RCA. Das produzierte Verwerfungen mit dem langjährigen ÖBB-Partner Trenitalia - und ausufernde Kosten. Denn als Bahnbetreiber mit Konzession für Schienengüterverkehr kaufte Linea die für RCA-Transporte benötigten Traktionsleistungen nicht mehr bei Trenitalia, sondern lieferte sie in Eigenbetrieb.

Der Erfolg war überschaubar: Anfang 2010 musste Linea erstmals mit 1,3 Mio. Euro rekapitalisiert werden. Der vom mittlerweile abgelösten RCA-Chef Macher im Februar 2010 installierte Linea-Geschäftsführer Johannes Kasal brachte den Karren offensichtlich nicht in ruhigere Fahrwasser. Denn Anfang 2011 brauchte die um San Stino und MDB angereicherte Linea eine weitere Geldspritze samt Wertberichtigung um acht Mio. Euro. Ob die neue RCA-Führung dem Linea-Chef die von Macher versprochenen 50.000 Euro Bonus (zusätzlich zu 150.000 Euro Jahresgage plus 30 Prozent Erfolgsprämie) gewährt, ist offen.(Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8.4.2011)