Maß- geschneiderte Gesten eines künstlich überhöhten Lebensstils: Die ivorischen Tänzer Franck Edmond Yao und DJ Meko in "New Black" - zu Gast beim Donaufestival.

Foto: Donaufestival/Knut Klaßen

"New Black" ist das Highlight in Krems.

Krems - Die Stadt Abidjan in Côte d'Ivoire war bis zu den aktuellen Machtkämpfen um das Präsidentenamt im europäischen Bewusstsein kaum verankert. Nicht so im Fall von Monika Gintersdorfer und Knut Klaßen.

Die deutsche Theaterregisseurin und der bildende Künstler haben vor fünf Jahren begonnen, sich für die Clubkultur und die Tänzer der Rue Princesse in Abidjan zu interessieren. Ivorische Migranten haben diese Praxis in die neue Heimat Paris mitgenommen und dort in den Banlieues als Form der Erhebung über die misslichen Lebensumstände etabliert. Deren Name: Coupé Décalé.

Coupé Décalé ist ein die prekären Lebensverhältnisse negierender glamouröser Lifestyle mit Goldklunker und Ego-Posen, mit dem die Performer in Stücken wie Betrügen einen auf Differenz beharrenden interkulturellen Diskurs in Gang setzen.

Davon kann der für sein Understatement bekannte weiße Europäer noch sehr viel lernen. Coupé Décalé zeigt, wie Menschen ehemaliger Kolonien, nunmehr unterprivilegierte Einwohner von Paris, sich einer herablassenden Welt gegenüber selbst Würde verschaffen. Dazu bedarf es einiger märchentauglicher Tricks: Sie nennen sich Jetset, tragen Designerschuhe und leistet sich eine Flasche Veuve Clicquot für die Haarpflege ("hilft beim Denken"), den Rest des edlen Tropfens schlürft man genüsslich aus dem Lackschuh, in dem eine Stunde lang getanzt wurde. Mit solch subversiven Gesten macht man sich die Luxusgüter des Westens untertan, ironisiert aber zugleich den eigenen Kontraimperialismus.

Von der Zeitschrift tanz wurden Gintersdorfer/Klaßen 2010 zur Kompanie des Jahres gewählt. Schon allein dafür haben sie es sich verdient: In einem der jüngsten Stücke (Erleide meine Inspiration, 2010) kombiniert der Tänzer Franck Edmond Yao das Verhalten in Nachtclubs mit den performativen Strategien des ivorischen Präsidenten. Zum Donaufestival kommen das Duo und seine Tänzer gleich mit einem Paket an performativen Arbeiten. Unter dem Titel New Black versammeln sich Theater- und Tanzvorstellungen, Club-, Musikkultur und Animation rund um den Kremser Stadtsaal; dieser wird nach dem Vorbild des legendären "New Black"-Clubs in Abidjan zum Zentrum des Geschehens. Besonders zu empfehlen: Betrügen.

Neuer Spielort 

Zu den weiteren Performances der ersten Festivalwoche zählen Karl Karners und Linda Samaraweerovás choreografische Auseinandersetzung mit dem ehemaligen US-Notenbankchef Alan Greenspan: Alan Greenspangrünspan ist eine auf die nebulosen Satzkonstruktionen des Wirtschaftsakteurs rekurrierende skulpturale Installation in apokalyptischer Atmosphäre; sie war jüngst beim Festival Imagetanz zu sehen.

Einen neuen Spielort in Krems hat sich die Wiener Art Foundation für ihre Synaptic Driver-Projekte gesichert. Im ehemaligen Elektrogeschäft Gantner erweitern knapp zwei Dutzend Künstler und Künstlerinnen die üblichen Grenzen performativer Praxis. Den Auftakt bestreiten Albert Mayr und Ludwig Kittinger / Fernando Mesquitas.

Die Zusammenarbeit des Donaufestivals mit der Kunsthalle Krems wird heuer noch intensiver: Ole Aselmann, einst Schützling von Christoph Schlingensief, betrachtet in seiner Ausstellung Berlin - Beijing Reisen als künstlerische Praxis (mit dem Schaf über die Alpen). In der Galerie Stadtpark zeigt Rashaad Newsome Shade Compositions, eine filmische Auseinandersetzung mit den soziokulturellen Codices des Körpers; in der Halle entwerfen Stirn Prumzer & Die Schwarzarbeiter / Atzgerei ein Gesamtkunstwerk, und last, but not least richtet Jonathan Meese das Wort an das Festivalpublikum: ein Vortrag in der Kunsthalle. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD/SPEZIAL - Printausgabe, 7. April 2011)