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Ernährungswissenschaftler können der Empfehlung, die Zufuhr von Obst und Gemüse zu beschränken, nichts abgewinnen.

Diäten gibt es zuhauf. "Low Carb", sprich wenig Kohlenhydrate, und "Low Fat"-Diäten waren dabei der Renner. In letzter Zeit liegen auch Eiweiß-Diäten im Trend. Manch findiger Diät-Erfinder hat diese durch eigens hergestellte Eiweißpulver- und Drinks "aufgepeppt" und damit auch die eigene Geldbörse.

Pierre Dukan, Ernährungsmediziner aus Frankreich, empfiehlt zwar keine Eiweiß-Präparate, dafür aber eine 4-Phasen-Diät, deren erste drei Phasen den Verzicht beziehungsweise die Einschränkung von obst- und gemüsereicher Ernährung vorsehen.

Anfangs kein Gemüse, kein Obst

Die erste Phase ist dabei durch reine Proteinzufuhr gekennzeichnet, da Proteine stark sättigend sind und laut Dukan deshalb Heißhunger-Attacken verhindern würden. Auf dem Speiseplan steht mageres Fleisch wie Geflügel oder Kalb, Fisch und Meeresfrüchte und fettfreie Milchprodukte. Kohlenhydrate sind nicht erlaubt, auch Obst und Gemüse nicht, die sind Dukan zu reich an Kohlenhydraten. Ballaststoffe werden dem Körper durch tägliche Einnahme von Haferkleie, eingerührt in Joghurt, zugeführt. Damit es nicht zur Verstopfung kommt wird dazu geraten mindestens 1,5 Liter Wasser pro Tag zu trinken.

Erst nach dieser Phase, die je nach Übergewicht fünf bis zehn Tage dauern soll, wird der Speiseplan abwechslungsreicher. Jetzt darf man jeden zweiten Tag Gemüse zur Protein-Mahlzeit ergänzen. Die Lebensmittelauswahl bleibt trotzdem stark eingeschränkt - Tomaten, Gurken, Salat sieht Dukan gerne auf dem Teller der Diätwilligen, stärkehaltige Lebensmittel wie Bohnen, Linsen, Erbsen, Kartoffeln oder Reis jedoch weniger.

Eine Portion Obst pro Tag

Je nach verlorenem Gewicht dauert die nächste Phase bis zu 100 Tage. Pro verlorenes Kilo zehn Tage, bei einer Gewichtsreduktion von fünf Kilo zum Beispiel wären das dann 50 Tage. 50 Tage mit mehr Lebensmittelauswahl. Endlich darf Obst gegessen werden, aber nur eine Portion pro Tag. Die Sehnsucht nach Bananen, Trauben, Rosinen und Kirschen bleibt dennoch. Die sind Dukan wegen des hohen Fruchtzuckergehalts ein Dorn im Auge. Er räumt zwar ein, dass Obst ein Vitaminlieferant ist, beklagt aber die "Mythologisierung" von Obst in der westlichen Welt.

Zwei Scheiben Vollkornbrot und 40 Gramm Käse pro Tag sowie zwei stärkehaltige Mahlzeiten pro Woche sind ebenfalls erlaubt in dieser Phase, die Dukan als Übergangsphase vom Gewichtsverlust zur Gewichtsstabilisierung sieht. Allerdings muss weiterhin ein reiner Proteintag pro Woche eingehalten werden. Ein Leben lang, auch in der vierten und letzten Phase, wo man an sechs Tagen der Woche alles essen kann. Mit solch einem Proteintag könne man das verlorene Gewicht auch halten und dem Jojo-Effekt entgehen meint der französische Ernährungspapst.

Nichts für Gemüse- und Obstfans

Laut englischem Buchcover können sich 5 Millionen französische Frauen nicht irren, ob französische Männer von dieser Dukan-Diät auch so fasziniert sind, ist die eine Frage. Was Vegetarier und Veganer mit diesem Ernährungsprogramm anfangen können die andere. Schließlich müssten Vegetarier für lange Zeit auf Sojaprodukte, Bohnen und Linsen verzichten. Veganer können mit den anfänglich empfohlenen Milchprodukten auch nicht viel anfangen. Wem es also vor Fleisch, Fisch und Produkten aus tierischen Fetten graut, für den ist diese Diät nicht sehr empfehlenswert. Auch nicht für Pasta-Liebhaber, genauso wenig wie für Obst- und Gemüse-Fans.

In deutscher Sprache ist das Buch noch nicht erschienen. Die deutsche und die österreichische Gesellschaft für Ernährung wären davon wohl weniger begeistert. Empfehlen sie doch die "Nimm 5 am Tag"-Regel, also fünf Portionen Gemüse und Obst pro Tag, als wichtigen Bestandteil einer gesunden Ernährung.

Komplexe Kohlenhydrate kommen zu kurz

Auch Birgit Lahm, Ernährungswissenschaftlerin aus Ried am Innkreis, hält Ernährungsempfehlungen, die die Zufuhr an Obst und Gemüse beschränken, für nicht empfehlenswert. "Obst und Gemüse versorgen den Körper nicht nur mit
Ballaststoffen, Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen, sie sind bis auf wenige Ausnahmen auch fettarm und sollten deshalb auch beim Abnehmen nicht zu kurz kommen und schon gar nicht über einen längeren Zeitraum eingeschränkt werden", so Lahm.

Den Verzicht auf komplexe Kohlenhydrate, selbst für eine kurze Zeitspanne von ein bis drei Wochen, sieht sie ebenfalls kritisch. "Komplexe Kohlenhydrate, die in Vollkornprodukten, Obst, Gemüse und Kartoffeln enthalten sind, liefern neben Ballaststoffen wertvolle Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. Sie sollten im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung täglich konsumiert werden und sogar mind. 50 Prozent der Gesamtenergie betragen. Komplexe Kohlenhydrate kommen bei der Dukan-Diät eindeutig zu kurz", lautet ihr Resümee.

Ausgewogene Mischkost ratsamer

Wer sich für solch eine proteinreiche Diät entscheide, sollte dies auch vorher mit einem Arzt abklären, rät Lahm, da eine hohe Eiweißzufuhr für Leber und Nieren belastend ist. "Trotz der erhöhten Flüssigkeitszufuhr kann die hohe Proteinaufnahme für Menschen mit Nieren- oder Leberproblemen bedenklich sein."

Das beste Rezept für eine langfristige Gewichtsreduktion ist für Lahm die Kombination aus mehr Bewegung und einer Ernährungsumstellung "hin zu einer ausgewogenen Mischkost." Diese Mischkost dürfe aber nicht zu einseitig sein und müsse die individuellen Vorlieben berücksichtigen. "Die Freude am Essen und der bewusste Genuss darf auch - oder besser gerade - beim Abnehmen nicht zu kurz kommen. Ansonsten sind Heißhungerattacken zu befürchten", betont die Ernährungswissenschaftlerin. (Güler Alkan, derStandard.at, 20.04.2011)