Es ist Autofahren in seiner ehrlichsten Form. Ohne elektronische Helfer, aber mit 240 PS aus dem Mittelmotor. Bis jetzt. Denn nun kommt der 300 PS starke R. Und der T mit Windschutzscheibe

Blaue Rauchschwaden ziehen am Helm vorbei. Es riecht nach verbranntem Gummi. Gerade noch war die Welt in Ordnung. Beim Kurvenanbremsen wird das Heck leicht. Im Scheitel wirken enorme Querkräfte, die Vierpunktgurte halten den Körper in Sitz. Das Heck drängt langsam nach außen. Kurz ans Gas. Ein Quietschen, ein Dreher, ein Fluch.

Foto: Wolf-Dieter Grabner

Wer nicht rechtzeitig gegenlenkt, schaut schneller in die Richtung, aus der er gekommen ist, als er KTM sagen kann. Das ist aber kein Wunder, denn der X-Bow hat keine Traktionskontrolle.

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Der X-Bow hat auch keine Servolenkung. Er hat keine Bremskraftunterstützung. Da gibt es keine Klimaanlage, keinen Zigarettenanzünder, kein Autoradio, keinen Kofferraum, kein Dach, nicht einmal Fenster oder Türen.

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Das braucht er aber alles auch nicht. Er ist kein herkömmliches Auto - eher ist er ein Motorrad, das keine Schräglagen kennt. Und doch ist er Automobil pur. Er ist gerecht und fair. Wer ihn richtig bedient, wird mit Endorphinen belohnt. Aber jeden Fehler bestraft er sofort und scharf.

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15 Menschen arbeiten derzeit im Werk in Graz. Seit Anfang Jänner werden Woche für Woche drei neue X-Bows in penibler Feinarbeit zusammengeschraubt.

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Penibel heißt, dass bei jedem Fahrzeug automatisch das Drehmoment gespeichert wird, mit dem wichtige Schrauben angezogen werden. Zusammengeschraubt bedeutet, dass alle rund 800 Teile nach Graz geleifert werden und hier zu einem flotten Ganzen zusammenfinden.

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Herzstück des X-Bow ist nicht der Motor, sondern das nur 80 Kilogramm schwere Carbon-Monocoque. Der Motor des X-Bow Street ist der 2.0 TFSI von Audi, dessen Leistung auf 240 PS gesteigert wird. Das Getriebe ist Serienware aus dem Volkswagen-Konzern.

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Während sich auf der abgesperrten Teststrecke in Graz ein X-Bow Street um einen minderbegabten Standard-Journalisten dreht, läuft nur wenige hundert Meter entfernt gerade einer der ersten X-Bow R vom Band.

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X-Bow R

Nach - seit 2008 - über 500 verkauften Fahrzeugen der Kleinserie kommt nun eine nachgeschärfte Version. Angetrieben wird der R vom 300 PS starken Block aus dem Audi S3. Und es gibt ihn als Sport mit Straßenzulassung oder als Race für die Rennstrecke.

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Dabei kann schon der X-Bow Street seine Renngene nicht verbergen. Mit nur 790 Kilogramm sprintet er in unter vier Sekunden auf 100 km/h. Auch wenn er für die Land- und Bergstraßen der Öffentlichkeit erdacht wurde, wirkt er dort doch wie ein Mustang in einer Box. Er strotzt vor Kraft, aber kann und darf sie nicht ausleben. Klar, er lässt sich auch in der Stadt fahren, aber man merkt ihm an, wie unglücklich er dabei ist.

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Höchste Alltagstauglichkeit beweist er aber dort, wo es niemand von ihm erwartet. Der Supersportler genehmigt sich laut Normverbrauch nur 7,2 Liter Sprit auf 100 Kilometer. Feinschmecker ist er dann aber wieder, wenn es um die Klopffestigkeit geht, denn da gönnt er sich gerne mehr als 95 Oktan. Bei einem Basispreis von gerade noch unter 70.000 Euro wird etwas teurerer Antriebssaft aber auch schon egal sein.

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Nicht egal ist, wo man vor dem Einsteigen seine Trümmer deponiert. Spannt sich erst einmal der Vierpunktgurt über den Körper, ist der Bewegungsradius stark eingeschränkt. Deshalb legt man den Helm am besten auf den Beifahrersitz und hängt das Lenkrad auf den Lufteinlass zwischen den beiden Sitzen.

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Ja, das Lenkrad nimmt man, wie es sich für einen Rennwagen gehört, zum Ein- und Aussteigen ab. Darum erkennt man X-Bow-Fahrer auch schnell im Kaffeehaus, weil sie ihr Lenkrad, das wie eine kleine Spielkonsole aussieht, neben sich liegen haben. Es im Auto stecken zu lassen, könnten Sammler als Aufforderung missverstehen. Und dann muss man den X-Bow wenig sexy mit der Rohrzange nach Hause lenken.

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Blinken kann man dann auch nicht, weil alle Bedienknöpfe am Lenkrad angebracht sind. Die Befehle werden vom Lenkrad via Infrarotverbindung an das Fahrzeug weitergeleitet, und die Stromversorgung basiert auf Induktion.

Es geht also im X-Bow sehr sportlich zu. Als Rennsportgerät sehen ihn darum auch viele Besitzer. Das erkennt man an den vollen Startplätzen des Markencups X-Bow Battle und der Warteliste.

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Doch es gibt sie auch, die Menschen, die den beinharten Trimm auf Sport so nicht hinnehmen wollen. Auffallen gerne, aber Helm tragen bitte nicht - da erkennt mich dann ja niemand. Wegen der großen Nachfrage beginnt KTM deshalb demnächst mit dem Bau des X-Bow T. Der hat dann eine Windschutzscheibe. (Guido Gluschitsch/DER STANDARD/Automobil/08.04.2011)

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