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Jeden Tag neue Demonstrationen in der Hauptstadt Sanaa und in anderen Städten des Jemen. Aber Präsident Saleh scheint noch nicht zum Abtritt bereit.

Foto: AP/Muheisen

Die Opposition ist nicht begeistert, aber Saudi-Arabien kämpft um einen Kompromiss.

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Sanaa/Riad/Wien - Von allen Ecken und Enden werden die Abtritts-Empfehlungen nun an den jemenitischen Präsidenten herangetragen: Der US-Meinung, dass Ali Abdullah Saleh seinen Posten möglichst schnell räumen - das heißt, das Amt an einen (neu zu ernennenden) Vizepräsidenten abgeben - sollte, haben sich nun auch die Länder des arabischen Golfkooperationsrats GCC (Saudi-Arabien, Kuwait, Bahrain, Katar, Vereinigte Arabische Emirate und Oman) angeschlossen. Die Außenminister Saudi-Arabiens und Omans wurden bei einem GCC-Treffen in Riad zu Wochenbeginn mit einer Vermittlungsmission in Sanaa beauftragt. Ihr Kompromissangebot für Saleh und Opposition besteht darin, dass Saleh sofort geht, dafür aber Immunität für sich und seine Familie erhält.

Gänzlich ablehnen kann Saleh die GCC-Initiative nicht - wenn Saudi-Arabien ihn fallen ließe, wäre er sofort erledigt. Saleh hoffte auf eine Intervention Riads zu seinen Gunsten. Die arabischen Golfstaaten treibt nun jedoch die gleiche Sorge zur Aktion, die US-Verteidigungsminister Robert Gates am Donnerstag in Bagdad äußerte: dass die in Jemen grassierende Al-Kaida die Destabilisierung für ihre eigenen Zwecke nützt. Manche Episoden von Kontrollübernahmen besonders in der südlichen Provinz Abyan sind nicht mehr als Rebellenaktionen einordenbar, sondern werden bereits Al-Kaida-affinen Gruppen zugeschrieben.

Außerdem geht die Angst um, Jemen könnte entlang verschiedener Bruchlinien zerfallen: Die nördliche Provinz Saada etwa, wo von 2004 bis 2010 der Krieg mit den schiitischen Huthi-Rebellen wütete, ist nicht mehr unter Regierungskontrolle. Saudi-Arabien hatte in diesem Konflikt militärisch zugunsten Salehs interveniert, als die Huthis die Grenzen zu Saudi-Arabien verletzten. Der Konflikt hat auch einen regionalpolitischen Aspekt: Die Huthis, die einer schiitischen Sekte angehören, werden in Riad als 5. Kolonne des Iran auf der Arabischen Halbinsel gesehen.

Brisanter ist aber noch die Frage, ob ein Zusammenbrechen der jemenitischen Staatsgewalt dazu führen könnte, dass die Vereinigung von Nord- und Südjemen, 1990 politisch erreicht und 1994 in einem Bürgerkrieg noch einmal erzwungen, wieder rückgängig gemacht werden könnte. Zwar war Saudi-Arabien damals gegen die Vereinigung - und damit Stärkung - des Jemen, scheint sich aber jetzt nur langsam mit einer von vielen als unvermeidbar gesehenen Abspaltung eines südlichen Staates abzufinden. Saudi-Arabien ist traditionell gegen Veränderungen des Status quo in seiner Nachbarschaft und bei sich selbst.

Saleh kann sich nur mehr auf seinen innersten Machtkreis stützen, zu dem aber auch noch ein Teil des Sicherheitsapparats gehört. Die Allianz gegen ihn ist in den vergangenen Tagen noch weiter gewachsen: Einige seit Jahrzehnten zerstrittene jemenitische Stämme haben sich tränenreich versöhnt und gegen den Präsidenten zusammenschlossen.

Andererseits berichtet die Yemen Times, dass der politische Konflikt auch Familien erfasst habe. Die Zeitung berichtet von einem Abgeordneten, mit dem dessen Mutter nicht mehr spreche, weil er noch nicht zu den Rebellen übergelaufen sei. Außer den Loyalisten gibt es aber auch jene Jemeniten, die bei einem Sturz Ali Abdullah Salehs eine chaotische Desintegration des Landes befürchten - aber diese droht auch stattzufinden, wenn er noch länger an der Macht bleibt. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 8.4.2011)