"Die Bestimmungen reichen nun nicht mehr aus, um Korruption effektiv zu bekämpfen": Josef Moser, Präsident des Rechnungshofes, kritisiert die Abmilderung des Antikorruptionsgesetzes.

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Standard: Ist Österreich besonders anfällig für Korruption?

Moser: Es zeigt sich generell, dass die Ansicht, Korruption greife nur in Entwicklungsländern um sich, ein Irrglaube ist. Im Korruptionsranking von Transparency International liegt Österreich im besseren Drittel, ist in den letzten Jahren aber zurückgefallen. Es gibt Handlungsbedarf. Die Blüte der Korruption gedeiht im Dunkeln, Transparenz würde ihr den Nährboden entziehen - doch bei der Transparenz sehe ich große Lücken. Vielfach fehlt es an Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten.

Standard: Wo zum Beispiel?

Moser: Ohne für den Rechnungshof nachvollziehbarer Rechtfertigung wurden öffentliche Unternehmen - ÖBB, Asfinag oder Wiener Linien - aus den strengen Korruptionsbestimmungen ausgenommen. Als Rechnungshofpräsident kann ich diese Abmilderung von 2009 nicht nachvollziehen. Die Bestimmungen reichen nun nicht mehr aus, um Korruption präventiv und effektiv zu bekämpfen.

Standard: Welche Lücken gibt es noch?

Moser: Weggefallen sind die strengen Maßnahmen gegen das sogenannte "Anfüttern" - also den Versuch, Amtsträger zu beeinflussen, indem man sie mit Gelegenheitsgeschenken oder etwa Einladungen zur Jagd gesonnen stimmt. Nach der alten Bestimmung war jeder Amtsträger, der in Hinblick auf seine Amtsführung einen Vorteil fordert, annimmt oder sich versprechen lässt, strafbar. Diese Bestimmung wurde abgeschwächt, obwohl die alte Regelung klarer und verfolgbarer war. Wir brauchen einen eindeutigen Verhaltenskodex.

Standard: Fehlt es an Einblick in die Einkünfte von Politikern?

Moser: Auch hier wird dem Transparenzgebot nicht Genüge getan. Zwar müssen Minister ihre Vermögen dem Rechnungshof bekanntgeben. Doch angesichts der abgegebenen Meldungen können wir nahezu unmöglich herauslesen, ob ein außergewöhnlicher Zuwachs stattgefunden hat. Und selbst, wenn dies gelänge, blieben Konsequenzen aus: Das Gesetz sieht nur eine Meldung an die Nationalratspräsidentin und keine weiteren Sanktionen vor.

Standard: Justizministerin Claudia Bandion-Ortner schnürt ein Paket gegen Korruption. Welche konkreten Maßnahmen wünschen Sie sich?

Moser: Es ist zu begrüßen, dass notwendige Maßnahmen zur Verschärfung der Antikorruptionsregelungen angekündigt wurden. Es wäre zweckmäßig, dass diese auch öffentliche Unternehmungen umfassen. Tatsache ist auch, dass der Rechnungshof zwar oft eingebunden ist, aber nicht die volle Wirkung entfalten kann, weil seine Tätigkeit quasi auf eine notarielle Funktion beschränkt ist.

Standard: Wo tappen Sie zum Beispiel im Dunkeln?

Moser: An Kontrollmöglichkeiten mangelt es etwa bei Parteispenden. Parteien haben dem Rechnungshof ohnehin nur Spenden über 7260 Euro zu melden, die von natürlichen Personen, Firmen und Vereinen stammen, nicht aber von Körperschaften öffentlichen Rechts, Fonds, Stiftungen oder Wirtschaftsverbänden. Doch auch diese beschränkten Listen dürfen wir im Wesentlichen nur in Empfang nehmen und verwahren. Der Rechnungshof hat keine Möglichkeit zu überprüfen, ob die Angaben überhaupt stimmen.

Standard: Wo hapert es noch?

Moser: Transparenz fehlt auch in staatsnahen Unternehmen, wo Bezüge, Abfertigungen und Pensionsansprüche nicht öffentlich gemacht werden. Da erfüllt Österreich nicht die Grundsätze der OECD bezüglich Corporate Governance und bleibt weit hinter den Standards für börsennotierte Unternehmungen zurück. Dabei sollte gerade in Zeiten, wo das Geld knapp ist, mit öffentlichen Ressourcen besonders sorgsam umgegangen werden.

Standard: Apropos Ressourcenverschwendung: Glauben Sie noch an eine große Verwaltungsreform?

Moser: In einigen Bereichen sehe ich Fortschritte, die dreistellige Millionenbeträge an Einsparungen bringen. Positiv ist auch die Intention, beim Pflegegeld die Kompetenzen zu vereinheitlichen. Doch die großen Würfe sind nicht gefallen, da fehlt es noch am politischen Willen. Dabei zeigt das Budget: Ohne Strukturreformen, etwa im Gesundheitssystem, droht Österreich seine Zukunft zu verspielen. Die Kosten der Defizite und Schulden nehmen uns das Geld für Investitionen in Forschung oder Bildung. Die Vergangenheit frisst die Zukunft auf. (Gerald John, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.4.2011)