Das Salz kam leider zu spät.

Foto: Rottenberg

Dafür war der Zuckerstreuer leer.

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Wenn einer eine Reise tut, heißt es, dann kann er was erzählen. Und wenn einer eine Reise immer wieder "tut", wird daraus ein Fortsetzungsroman. Aus dem unvollständigen Reiseroman "Spaß und Freude am Railjet" lesen Sie heute: "Salz, Zucker und andere Extravaganzen".

Es jedem Gast immer recht zu machen, ist eine Kunst, die keinem Küchenchef gelingen kann. Doch während manche Hauben-Küchenchefs ihr Handwerk als Kunst verstehen und den Wunsch nach Salz- oder Pfefferstreuern ähnlich schätzen, wie ein Maler, auf dessen Bild der Betrachter Konturen nachziehen lassen will, ist man in der regulären Gastronomie weniger pingelig - die einschlägige Hardware gehört zur Grundversorgung.

Salz

Freilich: Am Railjet ist das anders. Dort wird - wie überall bei der ÖBB - in der ersten Klasse an den Platz serviert. Freundlich, höflich und engagiert. Dass man nicht jedem Gast einen Salzstreuer mit an den Platz trägt, ist nachvollziehbar. Nicht nachvollziehbar, oder gar vorhersehbar ist aber, was passiert, wenn man die (gerade einmal lauwarme) Gulaschsuppe nachsalzen will: "Salz? Nein, so was haben wir nicht!" erklärt Servicekraft A mit einem Lächeln, dass den Umsitzenden fast die Tränen kommen. Auf das ungläubige "wirklich nicht?" des Gastes folgt ein bedauerndes Schulterzucken.

"Die ist für Pfeffer. Glaube ich."

Doch da auch eine zweite Servicekraft (die aus der menschenleeren Premium) im Waggon ist, erntet die den Salzbestand in Abrede stellende Dame eine Rüge. "Oh ja, wir haben schon Salz. Irgendwo." Man durchsucht das Durchgangsabteil zwischen First- und Premium. "Nein, hier ist es auch nicht. Nur diese Mühle." Sie hält sie in Richtung Passagiere. "Aber die ist für Pfeffer. Glaube ich" Die Mühle wird weggeräumt. Beide Servicekräfte verlassen den Waggon - in Richtung Bistro, einen Waggon weiter.

Nach etwa zehn Minuten kommt eine wieder. Sie strahlt, als hätte sie gerade das Rad erfunden: „Stellen Sie sich vor: Wir haben Salz gefunden." Sie stellt einen Teller auf den Tisch. Darauf: Ein Beisl-Salzstreuer. "Oh, Sie haben schon aufgegessen? Schade!" Heiterkeit im Abteil - die Servicekraft ist gekränkt.

Schmarrn

Zwei Reisen später. Kaiserschmarrn steht auf dem Tisch. Nur sieht der nicht aus, wie auf der Karte. "Stimmt, da sollte Staubzucker drauf sein," bedauert die Servicekraft. "Aber ich glaube, wir haben keinen. Ich kann aber suchen." Sie durchwühlt das Trenn-Abteil zur Premium. "Leider. Ich schau noch im Bistro."

Sie verschwindet - und kommt drei Minuten später wieder. Strahlend. "Da, der Staubzuckerstreuer." Es gibt aber auch eine Hiobsbotschaft: "Ich glaube aber, er ist leer." Stimmt. Heiterkeit im Abteil. Die Servicekraft ist gekränkt - und geht ab. Ein Fahrgast schaut lachend auf Kaiserschmarrn, Zuckerstreuer und die erfolglose, aber bemühte Kellnerin: "Ich arbeite für die Westbahn. Wenn das die Vorgabe ist, die wir toppen müssen, müssen wir uns nicht sehr anstrengen."

Müsli

Dabei weiß der Mann nicht, dass es auf der Paradestrecke der ÖBB noch lustiger geht: Auf der Frühstückskarte etwa steht "Müsli". Aber in zwei von drei Fällen bedauert der Servicemensch, dass "das heute leider nicht geliefert worden ist". Wenn er selbst überhaupt kommt. Im Speisewagen ist der gute Mann am Rotieren - und schon vor St. Pölten schweißgebadet: "Natürlich kommen wir auch in die erste Klasse. Aber ich schaffe heute schon das Bistro kaum. Mein Kollege ist den allerersten Tag da. Den muss ich einarbeiten. Der hat noch nie im Service gearbeitet - dem muss ich alles erklären, zeigen und beibringen."

Nächstes Mal an dieser Stelle: Vom Wunder, wie in einem frisch von der Reinigung kommenden Waggon Scherben unter den Sitzen liegen können - und der Freude des Zugsteams, diese händisch einsammeln zu müssen: "Lassen Sie, das machen wir schon - wir haben weder Besen noch Schaufel. Das sind wir schön gewöhnt." Und: Die Geschichte von der Dame mit schlafendem Kind, die versucht einen im "Ruheabteil" lautstarken Dauertelefonierer auf das "Handyfreie Zone"-Schild hinzuweisen: "Ich bin von den ÖBB - gehen sie nur zum Zugsbegleiter: Dem huste ich was." (Thomas Rottenberg/derStandard.at/11.04.2011)