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Norwegen erreicht in der Kategorie "Politische Partizipation" des Migrant Integration Policy Index 94 Prozent (von 100 Prozent). Österreich hingegen 33 Prozent.

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"MigrantInnen aus der Sicht der Politik werden nicht als KandidatInnen oder WählerInnen berücksichtigt", meint Marko Miloradović, Vorstandsmitglied der europäischen JungsozialistInnen.

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Null von 36 und Null von 40: So "viele" Politiker ausländischer Herkunft sitzen im Tiroler Landtag und Innsbrucker Gemeinderat. Dabei haben in Tirol über 16 Prozent der Bevölkerung migrantische Wurzeln, in der Landeshauptstadt Innsbruck liegt der Anteil bei knapp 25 Prozent.

Nur geringfügig höher liegt der Anteil der Politiker mit Migrationshintergrund in den nach Innsbruck größten Städten Tirols. Im Gemeinderat von Telfs zum Beispiel, wo jedes dritte Kind türkischen Familienbackground hat, ist Güven Tekcan der einzige allochthone Politiker. In Hall in Tirol stammen 15 Prozent der Einwohner aus dem Ausland, im Gemeinderat findet sich aber kein Politiker ausländischer Herkunft. Die gleiche Situation auch in Kufstein und Schwaz, Tirols zweit- beziehungsweise viertgrößten Städten. In beiden lebt eine beträchtliche Zahlan MigrantInnen und ihren Nachkommen, im Gemeinderat sind diese allerdings nicht vertreten.

Wo ist das Problem?

Man könnte einwenden, dass eine Politikerin, deren Familie seit Generationen in Österreich lebt, zugezogene Menschen ebenso gut repräsentieren kann, wie ein Politiker, dessen Eltern aus Polen nach Tirol gezogen sind. Dies wäre wünschenswert, ist aber problematisch, wie Marko Miloradović, Vorstandsmitglied der europäischen JungsozialistInnen, erläutert: "Es wäre sinnvoll, wenn sich RepräsentantInnen des Staates an den Verhältnissen in unserer Gesellschaft orientieren würden und ein reales Bild dieser abgeben." Die Optik ist also recht eigenartig, wenn Politiker über Integration diskutieren, ohne dass nur ein einziger von ihnen selber den Prozess der Integration gelebt hat. In Telfs zum Beispiel behauptet die Liste "Du und Wir": Integration bedeutet Chancengleichheit und Partizipation. Integration ist ein gegenseitiger Prozess, bei dem sowohl die inländische wie auch die ausländische Bevölkerung mit einbezogen ist. Auf ihrer Mitgliederliste findet sich allerdings keine einzige allochthone Person, die der beworbenen Partizipation entsprechen würde. In diesem Sinne ist es auch nicht verwunderlich, dass, wie in Kufstein, "Migrantenlisten" entstehen, die in Folge bei Einheimischen Bedenken wegen "politischer Segregation" entstehen lassen. Eine Ethnisierung von Parteilisten ist in der Tat alles andere als wünschenswert, es ist aber womöglich ein notwendiger (erster) Schritt, um auf die ausbleibende politische Teilnahme von Migranten und ihren Nachfahren in der regionalen und lokalen Politik Tirols aufmerksam zu machen.

Wollen, können oder dürfen sie nicht?

Migrantinnen sind in Tirols Sport, Wirtschaft und Kultur vertreten. Laut Wirtschaftskammer Tirol haben zum Beispiel 859 Unternehmer türkische Wurzeln und auch in Tirols bestem Fußballteam, FC Wacker Innsbruck, finden sich drei bereits eingebürgerte Spieler mit Migrationshintergrund. Wieso ist die Partizipation in der Politik also dermaßen ungenügend? Marko Miloradović meint, dass "MigrantInnen aus der Sicht der Politik nicht als KandidatInnen oder WählerInnen berücksichtigt werden, obwohl das realitätsfern und dumm ist". Andererseits ergänzt er, dass sich die Zuwanderer womöglich einfach zu gut integriert haben, teilen sie doch mit ihren alteingesessenen Mitbürgern eine negative Grundhaltung gegenüber Politikern und Politik allgemein. Güven Tekcan, Gemeinderat in Telfs und erster "türkischer" ÖVP-Gemeinderat Tirols überhaupt, meint allerdings, dass viele Einwohner Telfs einfach zu wenig Interesse für die Lokalpolitik zeigen und er problemlos in der ÖVP aufgenommen wurde.

Es geht auch anders

Wie die Situation in anderen österreichischen Bundesländern im Detail aussieht, wird daStandard.at in den kommenden Wochen beantworten. Es steht allerdings bereits jetzt fest,  dass in anderen europäischen Ländern mehr migrantische Partizipation in der (Regional)Politik existiert. Das beweist ein Blick nach Norwegen: Im Stadtrat von Oslo (27 Prozent Migrantenanteil) haben 20 Prozent der Politiker Migrationshintergrund und sind in fünf der sieben Parteien des Rates vertreten. Norwegen erreicht in der Kategorie "Politische Partizipation" des Migrant Integration Policy Index aber auch 94 Prozent (von 100 Prozent). Österreich hingegen 33 Prozent. (Willi Kozanek, 6. April 2011, daStandard.at)