Paul Winkler erforscht die Chemie der Atmosphäre.

Foto: H. Lackinger

Sein Arbeitsplatz ist eine Wolkenkammer, aber kein Luftschloss. Paul Winkler beschäftigt sich am National Center for Atmospheric Research in Boulder (Colorado) mit heterogenen Nukleationsprozessen. So wird in der Physik die Neubildung von Teilchen ("Tröpfchen") aus der Gasphase an Kondensationskernen genannt. Eine praktische Funktion dieser Prozesse ist die Bildung von Wolken.

In der Regel sind die "Wolkenkerne" größer als jene Nanoteilchen, die Winkler auf ihre chemische Zusammensetzung untersucht. Der Meteorologe will verstehen, warum und wie sich Nanoteilchen in der Atmosphäre spontan bilden, verändern und so als Quelle für Wolkenbildung infrage kommen. Schließlich sind Wolken Teil des Wasserkreislaufs und durch ihre Strahlungs- und Reflexionseigenschaften hoch klimawirksam.

"Modelle deuten darauf hin, dass diese Form der natürlichen Partikelneubildung mindestens so wichtig ist wie die vom Menschen verursachte Partikel-Emissionen durch Verbrennungsprozesse", erläutert der 35-jährige Eggenburger. Für seine Forschungen wurde ihm zuletzt ein Niederösterreichischer Wissenschaftsanerkennungspreis verliehen.

Weltoffenheit prägte den Waldviertler von Kindesalter an. Die Familie übersiedelte Mitte der 1980er-Jahre nach Istanbul, wo der Vater am österreichischen St.-Georgs-Kolleg Deutsch unterrichtete und der Sohn maturierte. Zurück in Österreich wollte er mit einem Meteorologiestudium sein Interesse für Naturwissenschaften mit Alltagstauglichkeit verbinden. Im Rückblick würde er eher Physik wählen "weil das Fach eine fundamentalere Ausbildung bietet und die Spezialisierung vereinfacht".

Für seinen Fokus auf Atmosphärenchemie spielten FWF-Projekte die zentrale Rolle: "Der Wissenschaftsfonds hat mich fünf Jahre finanziert und dadurch in die Lage versetzt, langfristig Wissenschaft als Beruf in Betracht zu ziehen", betont Paul Winkler.

Nach Forschungstätigkeiten an den Universitäten Wien und Helsinki lebt er seit September 2009 am Ostrand der Rocky Mountains und arbeitet an einem weltweit führenden Zentrum für Atmosphärenchemie. "Platz und Ausstattung sind einfach perfekt", sagt der Wolkenforscher.

"Hier sagt man: Wenn etwas besser läuft als erwartet, soll man es nicht persönlich nehmen. Umgekehrt ebenso nicht, wenn etwas schlechter läuft als geplant", schildert Winkler die Einstellung. Ein wichtiger Motor für ihn sind die (seltenen) Erfolgserlebnisse, etwas als Erster zu entdecken oder zu verstehen.

Boulder, Colorado, ist für Winkler nicht nur aufgrund der hohen Dichte an Forschungszentren und dementsprechend guten Vernetzungsmöglichkeiten ein wunderbarer Platz zum Wohnen. Auch die Tatsache, dass die Umgebung sowohl zum Wandern und Baden im Sommer als auch zum Skifahren im Sommer einlädt, sagt dem begeisterten Sportler, der zuletzt am Marathon in Chicago teilnahm, zu. Dennoch: Langfristig will er nach Österreich zurück.

Es sind vor allem die heimischen Brauchtümer und Traditionen, die ihm in den Vereinigten Staaten abgehen. Schließlich hat Winkler in Österreich schon eine volksmusikalische Karriere hinter sich: Mit der Tuba hat er Gigs im Zeltfest wie auch bei Mei liabste Weis absolviert. (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Printausgabe, 06.04.2011)