Als Ernst Strasser 2009 ins Europaparlament einzog, tat er sich umgehend und penetrant mit zwei Dauerbemerkungen hervor: Der Sitz in Straßburg müsse abgeschafft und ins Zentrum nach Brüssel verfrachtet werden - aus Kostengründen. Und ab sofort gelte, dass seine EU-Abgeordneten sich vor allem um Österreichs Interessen zu kümmern hätten, weniger um europäische.

Das war ziemlich miefig und provinziell für einen Europaabgeordneten, der sich dann - mutmaßlich - weniger um EU-Kosten als um private Einnahmen kümmerte. Aber es entsprang ganz dem Geist, dem die Volkspartei aus lauter Angst vor primitiver antieuropäischer Stimmungsmache im Land frönte: nur nicht zu laut für Europa und die Integration eintreten. Das könnte viele zu H.-C. Strache treiben.

Zwei Jahre später schlägt die List der Geschichte fürchterlich zurück: Strasser ist tief gefallen. Mit Othmar Karas wird er von einem Mann abgelöst, der politisch und stilistisch das genaue Gegenteil des Ex-Innenministers verkörpert. Einst selber ein farbloser VP-Generalsekretär, hat Karas sich zum glühenden Europäer entwickelt, ganz in der Schule seines niederösterreichischen Vorbilds Alois Mock.

Damit hat ÖVP-Chef Josef Pröll ein Problem mehr. Denn Karas hat nicht nur einige Rechnungen offen, er hat - ausgestattet mit einer Rekordzahl an Vorzugsstimmen - null Angst vor parteipolitischer Gängelung aus Wien. Er ist ein österreichischer Europäer. Gut für die Debatte im Land. (Thomas Mayer, STANDARD-Printausgabe, 6.4.2011)