Bild nicht mehr verfügbar.

Rubin Okoties Statistik in der deutschen Bundesliga: Zwei Torschüsse. Kein Tor.

Foto: APA/Jäger

Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Schnappschuss von Okotie bei einem seiner raren Einsätze im FCN-Trikot: Die deutsche Liga kennt er bisher fast ausschließlich vom Zuschauen.

Foto: EPA/Karmann

Bild nicht mehr verfügbar.

Auch ein "Olympia-Körper" kann kaputt gehen.

Foto: APA/Rubra

Nürnberg - Rubin Okotie will doch nur kicken und ist deshalb geladen mit fußballerischen Stehsätzen: "Es sind jetzt noch sieben Wochen und sieben Spiele, ich werde Gas geben." Und: "Ich will den Trainer von mir überzeugen." Oder: "Wenn ich jetzt schon aufgeben würde, wäre das eine verschwendete Zeit." Okotie wäre Stürmer beim 1. FC Nürnberg in der deutschen Bundesliga. Der Konjunktiv passt, weil der Ex-Austrianer so gut wie gar nicht spielt. In seiner ersten Saison kam er bisher gerade mal auf vier Kurzeinsätze.

Im Grunde genommen ist das nach 27 Spielen wenig, also hat ihm Nürnberg-Trainer Dieter Hecking die Rute ins Fenster gestellt. "Rubin muss die letzten Wochen nutzen, um nachhaltig auf sich aufmerksam zu machen." Sollte er bis zum Saisonende keinen bleibenden Eindruck hinterlassen, wird er den Club verlassen müssen. Es ist wohl die letzte Chance für Okotie, dessen steiler Aufstieg gestoppt worden ist. Eine Fußballer-Karriere am Scheideweg, die ihn vielleicht wieder nach Österreich zurückführt? "Natürlich kann ich mir das vorstellen. Aber daran will ich jetzt nicht einmal eine Sekunde denken", sagt Okotie.

Top-Klubs ante portas

2007 ging der Stern des Sohnes einer Österreicherin und eines Nigerianers auf, bei der U20-WM in Kanada, wo er zusammen mit Atletico Madrids Sergio Agüero ins Top-Team gewählt wurde. Danach hatten ihn einige Top-Vereine im Auge. Der jetzige Club-Trainer Hecking wollte Okotie schon damals nach Hannover holen. Der machte weiter Werbung in eigener Sache, schoss in der folgenden Saison 14 Tore in 34 Bundesligaspielen für die Austria. Leverkusen und Schalke hatten ebenfalls Lust auf den bulligen Stürmer, der durch seine enge Ballführung bestach und in Eins-gegen-Eins Situationen nicht ungeschickt war. Dann krachte es im August 2009: Beim Europa League-Qualifikationsspiel gegen Metalurg Donetsk musste Okotie nach 64 Minuten vom Platz - Knorpelschaden im rechten Knie, das war die böse Diagnose. Sein Knie war aber nicht abgenutzt. "Das ist durch eine unglückliche Bewegung passiert und ein Stück vom Knorpel ist abgebrochen. Die Ärzte haben den Knochen angebohrt und durch die Stammzellen konnte ein neuer Knorpel entstehen. Die ganze Fläche ist wieder zugewachsen", sagt Okotie. Nach der Mikrofrakturierung begann die Zeit des Leidens, neun Monate kein Fußball. Die ersten drei Monate auf Krücken seien "die härtesten seines Lebens gewesen".

Ein Herbst zum Vergessen

In der Zwischenzeit gab es das Wechseltheater von der Austria ins Ausland. Nach neun Jahren Violett also Tschüss. "Es ist nicht am Geld gescheitert", sagte seinerzeit Okotie-Manager Jürgen Werner. Karl Daxbacher, noch immer Trainer bei der Austria: "Wie er seine Vorstellungen präsentiert hat, hat es uns alle auf den Scheißer gehaut." Alles Schnee von gestern, obwohl es freilich für Okotie "kein schöner Abgang war". Nürnberg profitierte jedenfalls vom Kniefall des Ösi-Bombers (sie hätten ihn sonst wohl nicht bekommen), bei den Franken sollte er einschlagen. Und dann ging weiter nichts, die Herbstsaison 2010 verbrachte Okotie nach absolvierter Reha mit dem Erdulden von muskulären Kompensationsgeschichten, die Achillessehnen auf beiden Füßen tat weh, ebenso wie der Hüftbeuger. Es blieb Zeit für die Kraftkammer. Paul Gludovatz, Okoties ehemaliger Nachwuchs-Nationalteamtrainer, bezeichnete den Stürmer als "den Mann mit dem Olympia-Körper". Trainiert man den Oberkörper wenn die Beine nicht wollen? Okotie: "Nein, du kannst ja nicht sechs Stunden am Tag, sechs Tage die Woche Oberkörper trainieren. Ich bin ja kein Bodybuilder."

Immerhin: Okotie feierte zum Abschluss der Hinrunde der deutschen Bundesliga sein Liga-Debüt für Nürnberg, kam beim 3:1-Sieg gegen Hannover 96 in der 90. Minute ins Spiel. FCN-Manager Martin Bader sprach dem Zurückgekehrten bereits vor der Partie sein Vertrauen aus, Nürnberg würde in der Winterpause keinen neuen Stürmer holen, Okotie komme "immer besser in Fahrt und werde seine Chance bekommen."

Hilfe durch die Konkurrenz

Und jetzt? Die Verletzungen dienen kaum mehr als Ausrede. Drei Kurzeinsätze und 73 gespielte Minuten später hat Rubin Okotie immerhin 29 Mal im Match einen Ball in der deutschen Bundesliga berührt und: er hat einen Assist abgeliefert. Den Bonus des Jungstars, des Kückens in der Mannschaft hat er auch nicht. "So jung bin ich nicht mehr, ich werde 24. Da gibt es schon 18-, 19-Jährige, die nachrücken." Immerhin: Die Konkurrenz hilft ihm. Goalgetter Julian Schieber, der nicht unwesentlich für den Erfolgslauf der Nürnberger in der Rückrunde verantwortlich ist, sitzt einen Meniskusschaden aus. Der ehemalige Schweizer Nationalteamstürmer Albert Bunjaku schaut sowieso schon seit einer Ewigkeit von draußen zu. Es gibt wenig Druck von außen, der FCN hat 42 Punkte am Konto, also heuer mit dem Abstieg nichts mehr zu tun.

Es geht jetzt für Okotie nur mehr um Fußball, wenn es klappt. Für alles andere hatte er bereits genug Zeit. "Privat fühle ich mich wohl in Nürnberg. Eine ruhige Stadt, nicht so groß wie Wien. Das passt." Paul Gludovatz fiel noch etwas zu dem 23-Jährigen ein. "Ein Typ mit einem einzigartigen Charisma. Er hat in Kanada die meisten Leiberl verbraucht, weil ihm die Mädels immer nachgerannt sind." Das entlockt Okotie ein Lächeln. Er weiß, dass er ein Charmeur ist, hat aber bezüglich Privatleben keine Angst vor einem Blitzlichtgewitter: "Ich stehe nicht so in der Öffentlichkeit, weil ich nicht spiele". (Florian Vetter, derStandard.at; 4. April 2011)