Der deutsche Energiekonzern RWE verklagt nun doch die deutsche Regierung, weil diese vor zwei Wochen Biblis A hatte abschalten lassen.

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Die Drohung war schon einige Tage lang im Raum gestanden, am Freitag machte der AKW-Betreiber RWE dann ernst und reichte beim Verwaltungsgericht Kassel Klage ein. Diese richtet sich gegen die Abschaltung des hessischen Kernkraftwerks Biblis A, das 1974 in Betrieb ging. Der Block Biblis B (Inbetriebnahme 1976) ist davon nicht betroffen, er steht wegen Revisionsarbeiten ohnehin still.

Konkret wehrt sich RWE gegen die Anordnung der hessischen Aufsichtsbehörde, die die einstweilige Einstellung des Betriebs am 18. März für drei Monate angeordnet hatte. Zuvor hatte die Regierung unter dem Eindruck der Katastrophe in Fukushima erklärt, die ältesten deutschen Meiler müssten vom Netz, und sich dabei auf eine im Atomgesetz festgelegte "Notsituation" berufen.

Doch RWE sieht keine akute, auf Deutschland anwendbare Notsituation. "Für die Betriebseinstellung fehlt die rechtliche Maßgabe" , sagte ein Sprecher. Der Konzern wird durch die Abschaltung finanziell getroffen. Mit einem alten und abgeschriebenen Meiler wie Biblis A lässt sich pro Tag eine Million Euro verdienen.

Nun droht ein langer Rechtsstreit, und Experten sehen gute Chancen, dass RWE diesen auch gewinnt. "Die Bundesregierung und die konkret handelnden Landesregierungen haben offensichtlich keine Rechtsgrundlage für das Moratorium. Statt eine Rechtsgrundlage zu schaffen, was möglich und naheliegend wäre, nehmen sie sehenden Auges eine gerichtliche Niederlage in Kauf" , sagt der Ex-Präsident des Verfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, in der Badischen Zeitung. Auch Christian Pestalozza, Staatsrechtler an der Freien Universität Berlin, denkt ähnlich. Paragraf 19 des Atomgesetzes, auf den sich die Regierung beruft, "erlaubt nicht aus allgemeinen Sicherheitsbedenken" ein Abschalten. Es müsse konkrete Gefahr vorliegen.

Ruf nach raschem Ausstieg

Die Entscheidung von RWE setzt die deutsche Regierung gehörig - und von zweiter Seite - unter Druck. Seit dem atomaren Unfall in Japan wird der Ruf in Deutschland immer lauter, doch viel schneller als geplant aus der Kernkraft auszusteigen. Doch nun zeigt auch der erste AKW-Riese der Regierung seine Muskeln.

Unklar war vorerst, wie weit die Kraftprobe gehen sollte. Zunächst hieß es, RWE wolle trotz der Klage Biblis A nicht sofort wieder ans Netz bringen - was rechtlich möglich wäre. Am Nachmittag zog der Konzern diese Erklärung dann zurück und drohte, das AKWwieder anzufahren, sollte die hessische Regierung dies nicht per "Sofortvollzug" verbieten. Denn ohne dieses Verbot könne man davon ausgehen, dass keine Gefahr bestehe. Offenbar will RWE dadurch Klagen seiner Aktionäre verhindern. Die anderen AKW-Betreiber Eon und Vattenfall wollen übrigens nicht klagen.

In Österreich fordert FP-Atomsprecher Werner Neubauer Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel (VP) auf, entweder sofort aus dem RWE-Aufsichtsrat oder aus dem Nationalrat auszuscheiden. (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD, Printausgabe, 2.4.2011)