Waldner blickt zurück in Gelassenheit, aber: "Zu Beginn war es schon ein ziemlicher Kampf."

Foto: Standard/Christian Fischer

Petra Stuiber sagte er, wieso er wenig anders machen würde und warum er der Wiener VP hilft.

Standard: Das Museumsquartier (MQ) wird heuer zehn Jahre alt. Was ist für Sie persönlich das Erstaunlichste an diesem Jubiläum?

Wolfgang Waldner: Für mich persönlich, dass das MQ eigentlich ganz anders aussieht, als wir ursprünglich konzipiert oder auch nur erträumt hatten. Ursprünglich war ja nur der Kunstraum im Fokus, vertreten durch die Kunst-Institutionen auf dem Areal. Alles, was danach gekommen ist, hat man höchstens in Andeutungen gelesen – zum Beispiel die Dimension Schaffensraum, die wir erst entwickelt haben.

Ich hatte nur den Auftrag, auf die kleinen Initiativen "aufzupassen" und für Vielfalt zu sorgen – mehr war da nicht. Obwohl damals schon der Titel "Museumsquartier" irreführend war. Schon damals waren von den zehn Institutionen nur zwei Museen im klassischen Sinn – heute sind es von über 70 Institutionen auch nur zwei klassische Museen.

Standard: Sind Sie überrascht, dass es Sie in dieser Funktion noch gibt? Sie haben sich ja durchaus heftige Scharmützel mit Ihren Mietern geliefert. War das für Sie immer klar, dass Sie das "überleben"?

Waldner: Absolut nicht. Im Rückblick sehe ich das natürlich mit mehr Gelassenheit. Aber es war schon ein ziemlicher Kampf. Ich hätte zwar jederzeit das Handtuch werfen können – ich bin ja nach wie vor im Außenministerium verankert und kann jederzeit zurückkehren. Aber ich habe nie daran gedacht, weil ich immer fand, ich habe hier einen Auftrag zu erfüllen. Und der kam ja von beiden Eigentümern, von Bund und Gemeinde. Und in der Zeit, wo es wirklich hart herging – nicht nur sachlich, auch persönlich -, kam immer das Signal von beiden Auftraggebern: "Bitte Kurs halten, dabei bleiben, wir stehen hinter Ihnen."Seit 2004 ist es uns gelungen, immer mehr Sachprobleme zu lösen und Ängste abzubauen.

Standard: Den letzten großen Krach im MQ gab es im Juni 2009, als Sie die neue Hausordnung präsentierten und sich binnen Stunden Tausende via Facebook organisierten – gegen das Verbot, Alkohol selbst mitzubringen. Hat Sie der massive Protest überrascht?

Waldner: Ja, das Ausmaß hat jeden überrascht. Die Aufregung war aber nach vier Tagen vorbei.

Standard: Weil Sie einlenkten.

Waldner: Nein. Die Hausordnung haben wir nicht zurückgenommen, wir haben sie nur erklärt. Wir haben schon 2008 gemerkt, dass die Exzesse immer mehr zunehmen. Wir haben gewusst, wir müssen dieses Alkoholverbot, das es ja eigentlich schon vorher in der Hausordnung gegeben hat, publik machen. Wir haben das an Tafeln angebracht – und dann kam der Aufschrei, weil den Leuten das plötzlich bewusst wurde.

Standard: Dann ist der Fehler nur in der Kommunikation passiert?

Waldner: Man kann immer alles besser machen. Meine eigenen Kinder haben mich damals gefragt, ob ich wahnsinnig geworden bin – die ganze Schule sei plötzlich gegen mich. Ich hab dann die drei jungen Organisatoren des Protests ins Büro gebeten und ihnen erklärt, dass wir das MQ ja nicht gegen die junge Leute gemacht haben, sondern für sie. Und dass es halt gewisse Regeln braucht.

Wir können nicht dulden, dass ein paar wenige alle anderen terrorisieren. Wir haben uns dann geeinigt, dass ich öffentlich sage, dass wir natürlich dulden, wenn in Maßen Alkohol konsumiert wird – aber im Fall von Exzessen brauche ich das Verbot, damit die Polizei auch Hausverbote aussprechen kann.

Standard: Die von Ihnen engagierten Sicherheitsleute haben auch nicht für gute Stimmung gesorgt.

Waldner: Wir haben sicher den Fehler gemacht, dass wir die Sicherheitsleute, die wir schon wegen der Erfahrungen im Jahr davor engagiert haben, nicht genau kontrolliert hatten. Die sind zu martialisch aufgetreten. Denen haben wir eine Streetworker-Ausbildung verordnet und auf ihre T-Shirts "Gästebetreuer" draufgeschrieben. Seither gibt es keine Probleme mehr.

Standard: Haben Sie von Anfang an gewusst, was Sie tun müssen, damit das MQ vom Publikum angenommen wird?

Waldner: Nein. Am Anfang waren die Museumsdirektoren auch noch sehr zurückhaltend bei der Bespielung der Höfe mit Kunst, die wollten vor allem, dass ihre Museen Profil gewinnen. Aber als dann alles so leer war, habe ich Josef Trattner engagiert, damit er seine Schaumstoff-Objekte im Hof präsentiert. Und sofort waren die jungen Leute da, sind darauf herumgesessen oder gelegen. Da wussten wir: So geht es.

Dann wurden die Enzis als Hofmöbel entwickelt, jetzt die Enzos, eines hat ins andere gegriffen. Dann mussten wir aufpassen, dass das MQ nicht zur reinen Chill-out-Zone wird, und dann haben wir mit den Kulturprojekten begonnen. Das ist ein wichtiger Punkt: Kultur für alle, gratis zur Verfügung gestellt.

Standard: Viel auffällige oder provokante Kunst in den Höfen fällt einem aber nicht ein – mit Ausnahme von vielleicht "Kanak Attack" oder Van Lieshouts Riesen-Spermium oder Erwin Wurms Haus auf dem Mumok. Wäre das MQ nicht gerade dazu da, an- und aufregende Kunst zu zeigen?

Waldner: Ich persönlich sehe es nicht als meine Aufgabe, provokante Kunstprojekte zu machen. Da würde ich ja das Geschäft der anderen machen und mir womöglich den Vorwurf einhandeln, ich sollte lieber das Areal verwalten. Die angesprochenen Projekte sind ja alle von den Kunst-Institutionen gekommen.

Standard: Haben Sie je über Zugangsbeschränkungen nachgedacht? An manchen Sommerabenden ist das MQ restlos voll.

Waldner: In manchen Sommernächten haben wir unsere Kapazitätsgrenzen durchaus erreicht. Wir sind gerade mit der Behörde im Gespräch, auch unter dem Eindruck der 5000 bis 7000 Leute, die zur Sommereröffnung 2010 kamen. Da ist manchem angst und bang geworden, auch im Nachhinein, als dann das schreckliche Unglück in Duisburg passierte. Wir haben ein eigenes Sicherheitskonzept entwickelt, und wir werden bei großen Veranstaltungen einen eigenen Ordnerdienst engagieren.

Standard: Die kritische Zahl?

Waldner: Die liegt bei circa 7000 Besuchern.

Standard: Sie sind voll des Lobes, was die Kooperation mit den Museen betrifft. Aber so toll kann die nicht sein, wenn das Mumok ausgerechnet zum Zehn-Jahr-Jubiläum drei Monate wegen Umbaus schließt. Ist das nicht ungeschickt?

Waldner: Das war die autonome Entscheidung der neuen Direktorin, ich verstehe voll und ganz, warum sie das macht – wann soll man umbauen, wenn nicht am Anfang? Sie wird danach sicher fulminant starten.

Standard: Sind Sie ÖVP-Mitglied?

Waldner: Ja.

Standard: Warum leiten Sie eine Arbeitsgruppe für die Wiener VP?

Waldner: Ich leite in meiner Freizeit einen Arbeitskreis und werde bei den Themen Stadtleben und Urbanität mitdiskutieren. Nicht mehr und nicht weniger.

Standard: Sie werden immer wieder für Minister- und sonstige Ämter genannt. Können Sie sich vorstellen, in die Politik zu wechseln?

Waldner: Ich bin immer ein politischer Mensch gewesen, und gegen das Gehandelt-Werden kann man sich nicht wehren. Gleichzeitig bin ich froh, weil ich weiß, dass es nie dazu kommen wird. Genügt Ihnen das als Antwort?

Standard: Nicht wirklich. Wenn man damit nicht liebäugelt, leitet man keinen Arbeitskreis einer Partei.

Waldner: Das ist etwas Internes. Ich bin kein Funktionär, war nie einer und werde nie einer sein. Ich helfe Frau Marek aus Sympathie, weil sie mich darum gebeten hat.

Standard: Sind Sie der nächste Wiener VP-Chef?

Waldner: Sicher nicht. Unvorstellbar. (Petra Stuiber, DER STANDARD-Printausgabe, 2.4.2011)