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Aufgrund von Regen konnten verstrahlte Trümmer des AKW Fukushima eins nicht mit Harz besprüht werden.

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Noch immer werden 16.290 Personen nach dem Erdbeben vermisst.

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Rund drei Wochen nach Beginn der größten Katastrophe der japanischen Nachkriegsgeschichte ist das Atomkraftwerk weiter außer Kontrolle. Noch immer tritt Radioaktivität aus. Die Strahlung im Meer vor der Atomruine steigt. Die Regierung lehnt jedoch eine weitere Evakuierung ab, obwohl die Internationale Atomenergiebehörde sie empfohlen hatte.

Der AKW-Betreiber Tepco hat begonnen, verstrahlte Trümmer mit Kunstharz zu besprühen. Tepco musste die Versuche aber wegen Regens wieder stoppen. Mit dem Kunstharz soll unter anderen die Ausbreitung von radioaktivem Staub gestoppt werden.

Derweil steigt die Radioaktivität im Wasser: Im Meer vor dem AKW seien Jod-Partikel mit einer 4.385-fach höheren Konzentration als erlaubt gemessen worden, berichtete die Atomaufsichtsbehörde.

Evakuierungszone vorerst nicht ausgeweitet

Die Regierung plant jedoch vorerst keine Ausweitung der Evakuierungszone um das havarierte Atomkraftwerk. Es gebe im Moment keine sofortigen Pläne für einen solchen Schritt, sagte Regierungssprecher Yukio Edano. Er reagierte damit auf Empfehlungen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA/IAEO).

Man werde aber ausgehend von IAEA-Daten den Boden um das AKW intensiver auf Strahlen untersuchen. Regen zwang den Betreiber Tepco dazu, das Besprühen verstrahlter Trümmer mit Kunstharz zur Eindämmung von Radioaktivität auszusetzen. Unterdessen steigt die Radioaktivität: Im Meerwasser nahe des AKW seien Jod-Partikel mit einer 4385-fach höheren Konzentration als erlaubt gemessen worden, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo.

Sarkozy in Japan

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy traf bei seinen Kurzbesuch in Tokio den japanischen Ministerpräsidenten Naoto Kan. Die Welt brauche Atomkraft, um den Klimawandel zu bekämpfen, sagte Sarkozy nach Angaben der Nachrichtenagentur Kyodo. Sie könne helfen, den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids zu verringern. Die beiden Regierungschefs einigten sich bei ihrem Gespräch auf eine enge Zusammenarbeit bei der Atomkatastrophe. Französische Experten haben Erfahrung im Umgang mit radioaktivem Wasser – mehr dazu hier.

Die Japaner hatten französische Hilfe zunächst abgewiesen. Frankreich hatte unter anderem Roboter nach Japan schicken wollen, die nach der Katastrophe von Tschernobyl vor rund 25 Jahren für den Einsatz an radioaktiv verstrahlten Orten entwickelt worden waren. Später änderte der japanische AKW-Betreiber Tepco aber seine Meinung und bat Frankreich um Entsendung von Experten.

Starkes Nachbeben

Kaiser Akihito traf erstmals mit Überlebenden des Erdbebens und Tsunamis zusammen. Gemeinsam mit seiner Gemahlin Michiko nahm sich der Monarch eine Stunde Zeit, um etwa 290 Flüchtlingen in Tokio Trost zu spenden, wie japanische Medien am Donnerstag meldeten.

Die Katastrophenregion im Nordosten Japans ist am Donnerstag erneut von einem starken Nachbeben heimgesucht worden. Die Erschütterung hatte eine Stärke von 6,0, wie der Fernsehsender NHK berichtete. Eine Warnung vor Tsunami gaben die Behörden nicht aus. Auch lagen keine Berichte über mögliche weitere Schäden oder Verletzte in Folge des Nachbebens vor. Der Erdbebenherd lag unter dem Meeresboden vor der Katastrophenprovinz Miyagi. Auch in der etwa 300 Kilometer entfernten Hauptstadt Tokio gerieten Hochhäuser ins Schwanken.

11.362 Todesopfer

Die Zahl der nach dem Erdbeben und dem Tsunami vom 11. März offiziell für tot erklärten Opfer stieg auf 11 362. Weitere 16 290 Menschen werden noch vermisst. Bis zu 1.000 Leichen rund um das AKW Fukushima sind nach dem Erdbeben vom 11. März wegen der Strahlengefahr bisher nicht geborgen. Dies meldete die Nachrichtenagentur Kyodo am Donnerstag unter Berufung auf die Polizei. Die Leichen in der 20-Kilometer-Evakuierungszone seien hoher Strahlung ausgesetzt gewesen, hieß es.

Wegen der hohen Strahlenwerte im 40 Kilometer von Fukushima entfernten Ort Iitate hatte die IAEA geraten, die 7000-Einwohner-Stadt zu räumen. "Eine erste Beurteilung deutet darauf hin, dass eine der IAEA-Kriterien für die Evakuierung überschritten wurde", hatte IAEA-Experte Denis Flory in Wien gesagt. Greenpeace hatte nach eigenen Messungen dringend eine Ausweitung der Evakuierungszone rund um Fukushima von 20 auf 40 Kilometer verlangt.

Würde die Sperrzone um nur zehn Kilometer erweitert, müssten 136.000 Menschen in Sicherheit gebracht werden, was die Behörden vor eine logistische Herausforderung stellen dürfte. Auch deshalb warnt die Regierung vor Überreaktionen. Wegen der als zu zögerlich empfundenen Krisenpolitik geriet der japanische Ministerpräsident Naoto Kan innenpolitisch aber immer stärker unter Druck.

Die japanische Regierung erwägt verschiedene Notmaßnahmen, um die Radioaktivität einzudämmen. Dazu gehört auch die Idee, die Reaktoren mit Spezialgewebe abzudecken oder verseuchtes Wasser aus dem Kraftwerk in ein Tankschiff zu pumpen.

Kritik an Informationspolitik

Der Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), Achim Steiner, kritisierte die Informationspolitik der japanischen Behörden und des Tepco-Konzerns. "Was im Augenblick für viele am schwersten nachzuvollziehen ist, ist die Frage, wieso Information, deutliche, klare, präzise Information, so schwierig zu bekommen ist", sagte Steiner der "Berliner Zeitung".

Der UNEP-Direktor warnte zugleich vor weiteren schweren Reaktorunfällen. Mindestens zwanzig, dreißig Reaktoren der gleichen Bauart wie der Katastrophenreaktor Fukushima seien weltweit in Betrieb, auch in erdbebengefährdeten Gebieten. (APA)