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Libyens Außenminister Mussa Kussa (links) bei seinem Spanien-Besuch im Februar 2010

Foto: AP/dapd/Arturo Rodriguez

Tripolis/London/Washington - Der libysche Außenminister Mussa Kussa hat dem Machthaber Muammar Gaddafi die Gefolgschaft gekündigt und ist nach Großbritannien geflohen. Kussa sei am Abend auf dem britischen Flugplatz Farnborough gelandet, teilte die britische Regierung am Mittwoch mit. Er wolle nicht mehr länger die Regierung Gaddafis international repräsentieren.

Reuters hatte zuvor bereits von einer dem Minister nahestehenden Person erfahren, Kussa wolle in Großbritannien um politisches Asyl bitten. Er sei geflohen, weil er gegen Angriffe auf die Zivilbevölkerung gewesen sei. Zuvor hatte die libysche Regierung erklärt, Kussa sei auf einer diplomatischen Reise. Der Außenminister gehörte zu Gaddafis innerem Kreis.

Treffen mit französischen Regierungsbeamten

Zuvor habe der Außenminister in seinem Hotel auf der tunesischen Ferieninsel französische Regierungsbeamte getroffen, erfuhr die dpa aus tunesischen Regierungskreisen. Einzelheiten über die Gespräche wurden nicht bekannt. Kussa war am Montag über den Grenzübergang Ras Jedir nach Tunesien gekommen. Sein Besuch wurde vom tunesischen Außenministerium als "privat" bezeichnet.

Uganda würde Gaddafis Asylantrag prüfen

Uganda ist unterdessen bereit, einen etwaigen Asylantrag Gaddafis zu prüfen. Dies sagte der Staatssekretär im ugandesischen Außenministerium, Henry Okello Oryem, am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Zuvor hatte der Fernsehsender Al-Arabiya berichtet, das schwarzafrikanische Land sei bereit, Gaddafi aufzunehmen. "Das sind Gerüchte", sagte Oryem.

Bei einer Kabinettssitzung sei zwar die Situation in Libyen besprochen worden, das Thema Exil aber nicht. "Sollte Gaddafi jedoch Asyl in Uganda beantragen, würden wir seinen Antrag so prüfen, wie wir es für jeden anderen tun, der in Uganda Zuflucht sucht", sagte er.

Losgesagte Politiker und Offiziere

Vor Moussa Koussa hatten schon andere Mitglieder der libyschen Führungsriege Gaddafi die Gefolgschaft verweigert. Ex-Justizminister Mustafa Abdul Jalil schloss sich gleich nach den ersten blutigen Zusammenstößen den Aufständischen an und wurde Mitglied der Übergangsregierung in Bengasi. Auch einer der wichtigsten Ökonomen in Tripolis, Mahmud Jibril, wechselte die Fronten und ist jetzt Ministerpräsident der Übergangsregierung. Viele Offiziere haben sich ebenfalls von Gaddafi losgesagt.

NATO-Streit über Waffenlieferung an Rebellen

Nach den jüngsten Rückschlägen der Aufständischen im Kampf gegen die Milizen Gaddafis entbrannte am Mittwoch ein Streit innerhalb der NATO über mögliche Waffenlieferungen an die Rebellen. Während die USA und Großbritannien die UN-Resolution zur Unterstützung des libyschen Volkes so auslegen, dass Waffenlieferungen möglich sind, sprachen sich NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen und auch die italienische Regierung klar dagegen aus. US-Präsident Barack Obama wollte in einem Interview des Sender NBC Militärhilfen nicht ausschließen. Am Donnerstag sprach Rasmussen ein Machtwort und schloss Waffenliederungen der NATO aus.

CIA unterstützt Rebellen

Nach einem Bericht der "New York Times" vom Mittwoch (Ortszeit) erhielten die Aufständischen Hilfe bereits in anderer Form. Demnach unterstützt der US-Geheimdienst CIA die libyschen Rebellen seit Wochen mit verdeckten Aktionen. Die Spione kundschafteten mögliche Ziele für Luftschläge aus und versuchten überdies, Kontakte zu den Aufständischen zu knüpfen, berichtete das Blatt. Nach Angaben britischer Regierungsbeamter arbeiteten "Dutzende" Agenten des Geheimdienstes MI6 und Mitglieder von Spezialkommandos in Libyen. Sie versorgten die britischen Streitkräfte mit Informationen über Ziele für Luftschläge, Stellungen und Bewegungen von Gaddafis Militär.

Das Weiße Haus lehnte es derweil ab, sich zu Geheimdienst-Missionen zu äußern. "Es ist gängige Praxis für diese und alle anderen US-Regierungen, sich zu Geheimdienst-Angelegenheiten nicht zu äußern", teilte Präsidentensprecher Jay Carney mit. Es gebe nach wie vor keine Entscheidung darüber, die Regimegegner oder irgendeine andere Gruppe in Libyen mit Waffen zu versorgen. "Weder schließen wir es aus, noch schließen wir es ein", erklärte er. "Wir erörtern und prüfen Optionen für alle Arten von Unterstützung, die wir dem libyschen Volk geben können."

Unter Kommando der NATO

Die internationalen Luftangriffe auf Ziele in Libyen stehen übrigens seit Donnerstagmorgen vollständig unter dem Kommando der NATO. Um 08.00 Uhr MESZ habe die Militärallianz den alleinigen Befehl über die Lufteinsätze übernommen, teilte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen in Brüssel mit.

Vatikan: Alliierte töteten Zivilisten in Tripolis

Bei Luftangriffen der Alliierten auf Tripolis sind nach vatikanischen Angaben mindestens 40 Zivilisten getötet worden. Das sagte der Apostolische Vikar von Tripolis, Giovanni Innocenzo Martinelli, am Donnerstag der katholischen Nachrichtenagentur Fides. "Ich habe mehrere Augenzeugenberichte von vertrauenswürdigen Personen." Die NATO erklärte, sie habe dafür keine Bestätigung, würde den Vorwürfen aber nachgehen. Ein NATO-Sprecher sagte in Brüssel: "Wir tun, was wir
können, um herauszufinden, ob etwas passiert ist." (red/Reuters/APA/AFP)