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Aus Tschernobyl entwichen 2,6 Kilo Plutonium. Bei atmosphärischen Atomwaffentests waren es insgesamt 3000 Kilo. Das Material aus den Atombombentests verteilte sich relativ gleichmäßig um die ganze Welt, zusammen mit anderen radioaktiven Substanzen wie Cäsium 137.

Foto: APA/Fohringer

New Mexico/Wien - Am 16. Juli 1945 explodierte "das Gerät" in der Wüste von New Mexico. The Gadget, das Gerät: So nannte die US-Armee die erste Atombombe, die jemals gezündet wurde. 1053 Zündungen sollten bis 1992 folgen, in New Mexico, Nevada oder dem Bikini-Atoll. Die Bomben, die die andere Seite des Gleichgewichts des Schreckens, die Sowjetunion, zündete, nicht mitgerechnet.

Insgesamt, so schätzen Experten, wurden bei atmosphärischen Atomwaffentests 3000 Kilo Plutonium in die Atmosphäre geblasen - am meisten zu Beginn der 1960er-Jahre. Zum Vergleich: Aus Tschernobyl entwichen 2,6 Kilo. Das Material aus den Atombombentests verteilte sich relativ gleichmäßig um die ganze Welt, zusammen mit anderen radioaktiven Substanzen wie Cäsium 137.

In jeder Wiese zu finden

"Sie können auf jeder Wiese buddeln, und sie werden es finden", sagt Gabriele Wallner vom Chemie-Institut der Universität Wien. Sie nimmt seit Jahren Bodenproben in Österreich. Die gefundene Belastung durch die Bomben in den 60er-Jahren entspricht etwa der durch Tschernobyl, schätzt sie. Beim Nassfeld in Salzburg, in 1600 Metern Höhe, fand Wallners Team bei den letzten Untersuchungen in einigen Zentimetern Tiefe 10 Becquerel Plutonium pro Kilo Erde - etwa sechsmal mehr als am Montag in Fukushima gefunden wurden. Etwas weiter oben, in den ersten beiden Zentimetern, fanden sich immerhin vier bis sechs Becquerel.

Das Material in den tieferen Schichten stammt von den Atombombentests, dem sogenannten Global Fallout. Die Stoffe in den oberen Schichten wehten nach Tschernobyl nach Österreich. Unterscheiden können Wissenschafter sie anhand des Isotopen-Verhältnisses: Plutoniumspuren aus Reaktoren enthalten deutlich mehr Plutonium 238 als solche aus Atombombentests. Auch in Fukushima können Experten so das Plutonium aus dem Reaktor von jenem unterscheiden, das in jedem beliebigen Kilo japanischer Erde entdeckt werden kann.

Hohe Cäsium-137-Werte

Deutlich höher sind die Cäsium-137-Werte: In der Salzburger Probe wurden von Tschernobyl 4000 Becquerel pro Kilogramm gefunden, von Strontium 90 waren 100 Becquerel pro Kilo enthalten. In japanischen Proben aus dem Umkreis von Fukushima wurden zuletzt Cäsium-137-Werte von 4000 bis 5000 Becquerel gefunden. Deutlich höhere Werte - etwa 42.000 Becquerel - wurden stellenweise von Jod 131 gefunden, das aber aufgrund seiner Halbwertszeit von acht Tagen schnell verschwindet. Im Tokioter Trinkwasser erreichten die Werte bis zu 200 Becquerel pro Liter - Cäsium-Jodid ist allerdings wasserlöslich und verdünnt sich daher im Wasser schnell.

Während der Global Fallout relativ gleichmäßig verteilt ist, schwankt die Belastung durch Tschernobyl in Österreich stark. Je nachdem, wo es nach dem Unfall regnete, kann mehr oder weniger Material gefunden werden. So sind große Teile Oberösterreichs stärker betroffen, im Burgenland dagegen können kaum Spuren nachgewiesen werden.

Am höchsten sind die Werte in den Bergen, auf der Wetterseite, weil es dort am meisten regnet. In der Ebene liegt die Belastung oft deutlich darunter. Die Schwankungsbreite ist allerdings überall groß, die Werte variieren innerhalb weniger Meter stark - etwa je nachdem, wie Regenwasser abfließt. Die Werte in Österreich sind allesamt harmlos. Da Cäsium 137 eine Halbwertszeit von 30 Jahren hat, nimmt die Belastung konstant ab. Nach der zehnfachen Halbwertszeit ist das Material fast völlig verschwunden.

Tausendstel von Tschernobyl

In Japan wurden in den vergangenen Tagen ähnliche Werte in Gemüse gemessen wie in Österreich nach Tschernobyl, sagt Josef Maringer von der Universität für Bodenkultur in Wien. Er untersucht derzeit die Auswirkungen von Fukushima auf österreichische Lebensmittel und Wasser. Maringer geht von minimal erhöhten Werten aus, die etwa einem Tausendstel der Werte nach Tschernobyl entsprechen könnten. "Weil radioaktives Material besser gemessen werden kann als chemische Gifte, tendieren Menschen dazu, die Belastung zu überschätzen", sagt er.

Erhöhte Werte in Lebensmitteln, die auf Tschernobyl zurückzuführen sind, finden sich in Österreich nur mehr in Wildfleisch und in Pilzen. (Tobias Müller/DER STANDARD-Printausgabe, 30.3.2011)