Wien/Innsbruck/Linz/Salzburg - Der Rechnungshof tat sich viel Arbeit an: Er beschäftigte sich mit dem Verleih von Sammlungsgut durch Landesmuseen in den Jahren 2007 bis 2009 - und musste Ungeheuerlichkeiten feststellen. Konkret geht es um Missstände im Oberösterreichischen Landesmuseum (künftig: Linz), in der Residenzgalerie (Salzburg), in den Tiroler Landesmuseen (Innsbruck) und in den Museen der Stadt Wien.

Das Linzer Statut sieht nicht vor, Sammlungsgut an nichtmuseale Einrichtungen zu verleihen. Dennoch kam es dazu: Man verlieh Objekte an zwei Landtagklubs und schloss nicht einmal Leihverträge ab. Für den Verleih von Werken an fünf kirchliche Einrichtungen im Wert von 149.000 Euro akzeptierte man anstelle von Versicherungen ein Infoblatt über den Versicherungsschutz für Pfarren. Bei Standortkontrollen wurden Beschädigungen an Werken festgestellt, diese aber nicht eingezogen. Von 5401 verliehenen Objekten sind 475 nicht auffindbar.

Wien: Verluste vertuscht

Wien verlieh 411 Objekte an nicht museale Einrichtungen. Die Versicherungskosten trugen nicht die Leihnehmer, sondern das Museum. 98 Objekte, zwischen 1910 und 1999 verliehen, waren laut RH nicht auffindbar. Das sind knapp 24 Prozent! Das Wien Museum verschwieg dieses Faktum dem Eigentümer, was im Rohbericht, der dem Standard vorliegt, kritisiert wird. Christian Kircher, Finanzdirektor des Wien Museums, meint, dass die Inventur erst im April 2010 abgeschlossen worden sei. Man wollte lieber intern weiter prüfen - statt Feuer zu schreien. Man habe seither zwei Gemälde wieder gefunden.

Insgesamt verliehen die vier Landesmuseen "mehr als 6000 Objekte zur Ausschmückung von Amtsräumen, Büros, Pfarren, Krankenzimmern und Hörsälen. Rund 600 dieser Objekte waren nicht auffindbar." Und noch so manches weitere Werk ist futsch: In der Innsbrucker Datenbank sind 41 Gemälde und 42 Skulpturen als nicht auffindbar ausgewiesen. Das Fehlen ist "teilweise bereits seit Jahrzehnten" bekannt. In Linz hat man keine Ahnung über den Standort von 46 Skulpturen. Und in allen vier Museen "erfolgte keine kontinuierliche systematische Überprüfung" des Sammlungsguts. Es lägen zudem keine Berichte über Standortkontrollen vor.

Auch beim Leihverkehr mit anderen Museen hatten die Prüfer einiges zu beanstanden. Obwohl in Wien laut Gesetz nur befristete Leihgaben vorgesehen sind, waren 251 Objekte zum Zeitpunkt der Prüfung unbefristet verliehen; mit 31 Leihnehmern war kein Vertrag abgeschlossen worden. Und: In einem privaten Museum befinden sich Leihgaben aus Linz, obwohl die Leihverträge und die Versicherung bereits 2003 abgelaufen waren. Ein an das Museum verliehenes Bild ist verschollen. Abgesehen vom Wien Museum, das eine Gebühr verlangt, verursachte der Verleih hohe Kosten: in Linz 226 Euro, in Tirol 485 Euro und in Salzburg 556 Euro pro verliehenem Objekt. Der RH empfahl, die Kosten den Leihnehmern in Rechnung zu stellen.

Obwohl für das im Eigentum der Stadt Wien stehende Sammlungsgut das Prinzip der Nichtversicherung gilt, versicherte das Wien Museum dieses seit 2002 gegen Feuer. Das verursachte Kosten von 880.000 Euro; Schadensfall gab es keinen. Laut Finanzchef Kircher werde die Versicherung nun gekündigt. Linz lieh sich bei einer Bank zwei Objekte aus, zahlte für diese Versicherungsprämien - und lagerte sie im Depot.

Wien: Kritik von VP und FP

Die Wiener FP spricht angesichts der unauffindbaren Objekte von "kriminellen Machenschaften" und fordert die Einschaltung der Staatsanwaltschaft. Isabella Leeb, Kultursprecherin der Wiener Volkspartei, ist über die "unglaubliche Schlamperei im Umgang mit öffentlichem Vermögen" entsetzt. Sie kündigt eine schriftliche Anfrage an SP-Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny an. Sie möchte u. a. wissen, "welche Werte der Allgemeinheit durch die sorglose Verleihpraxis verlorengegangen" sind, wer konkret die Leihnehmer waren und wer die Verantwortung für die aufgedeckten Missstände trägt. Mailath-Pokorny war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. (Thomas Trenkler/DER STANDARD, Printausgabe, 28. 3. 2011)