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Verärgert, schikaniert und zwangsverpflichtet: Kurt Palm propagiert den festlichen Einsatz dieses Utensils.

Foto: APA / BARBARA GINDL

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Kurt Palm (56) lebt als Autor und Regisseur in Wien. Zuletzt erschien von ihm der Kriminalroman "Bad Fucking". Die Taschenbuchausgabe erscheint im August bei Rowohlt. Der Roman "Die Besucher" erscheint im Frühjahr 2012 im Residenz- Verlag.

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Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, geschätzte Leserinnen und Leser, aber in letzter Zeit habe ich immer öfter das Gefühl, nur noch von Deppen umgeben zu sein. Schauen Sie sich zum Beispiel das Plakat an, auf dem die ÖVP-Masseverwalterin Christine Marek mit einem Slogan wirbt, den nicht einmal der edle Freiherr von und zu Guttenberg plagiieren würde: "Urbane Weltoffenheit mit christlich-sozialen Wurzeln".

Als ich dieses Plakat zum ersten Mal gesehen habe, war ich so baff, dass ich vor lauter Schreck gleich auch noch das Kleingedruckte gelesen habe: "Agenda Wien+" stand da, und weil man sich darunter naturgemäß wenig vorstellen kann, fügte ein besonders cooler Public-Relations-Berater noch hinzu: "Offene Diskussion. Neue Themen. Visionen für Wien". "Wau", rief ich laut aus, woraufhin mich ein Hund anbellte, der von seinem Herrli Gassi geführt wurde. Oder umgekehrt. Natürlich kackte der Hund direkt neben mir auf den Gehsteig, was seinem Herrli aber egal war. Von urbaner Weltoffenheit hat dieser Typ anscheinend noch nie etwas gehört.

Aber das Plakat der Wiener ÖVP besticht nicht nur durch seine hirnverbrannten Texte, sondern auch durch ein Foto, auf dem Frau Marek aussieht, als wäre sie gerade von Herrn Berchtold in den Hintern gezwickt worden.

Falls Sie nicht mehr wissen sollten, wer Herr Berchtold ist: Das ist jener - verheiratete - ÖVP-Bürgermeister der Stadt Feldkirch, der im Zuge eines Vergewaltigungsprozesses erklärt hat, dass er mit der Klägerin nur Sex gehabt habe "wie in anderen Klausurnächten auch". Jetzt verstehe ich, weshalb es in der Partei mit den christlich-sozialen Wurzeln so viele Klausurwochenenden gibt. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Wie es der Zufall wollte, hing direkt neben dem Plakat mit Mareks unvergleichlichem Grinser eine Werbung für das neue Spektakel von André Heller. Magnifico heißt die Show und verspricht einen Rausch aus Schönheit und Extravaganz. Statt besonders gelenkiger Afrikaner hüpfen dieses Mal Pferde und Fabelwesen über die Bühne. Die sind wahrscheinlich genügsamer als die afrikanischen Artisten und haben den Vorteil, dass sie sich nicht über zu geringe Bezahlung beschweren können.

Da fällt mir ein, dass Heller und Alfred Gusenbauer schon seit Jahren dicke bzw. dünne Busenfreunde sind. Und wie es sich für echte Busenfreunde gehört, loben die beiden einander ständig über den grünen Klee. Unvergessen Gusenbauers Laudatio auf seinen Freund, als dieser seinen 60. Geburtstag feierte: "André Hellers Kunst war nie eine der Ausgrenzung, sondern des Einschlusses. Bei ihm heißt es: Hereinspaziert! Besuchen Sie seine Schule des Sehens, des Hörens, des Staunens. Lassen Sie sich verzaubern von den Dingen, die der neoliberale Weltgeist beiseiteschiebt oder in den Nebenhöhlen des Vergessens endlagert." Dass man in den luftgefüllten Schleimhautaussackungen der Nasenhöhle Dinge endlagern kann, die der neoliberale Weltgeist beiseitegeschoben hat, wird vor allem die HNO-Ärzte interessieren.

Dass umgekehrt André Heller den charismatischen Exkanzler Gusenbauer aus Anlass von dessen 50. Geburtstag ebenfalls als Lichtgestalt rühmte, versteht sich von selbst. Mir gefiel die folgende Passage aus Hellers Rede am besten: "Derzeit macht Alfred Gusenbauer die spannende Erfahrung, wie es ist, auf redliche Weise wohlhabend zu werden." Zum Beispiel als hochbezahlter Berater des kasachischen Staatspräsidenten Nursultan Nasarbajew, der sein Land seit 21 Jahren autoritär regiert. Oder als Aufsichtsratsvorsitzender des Baukonzerns Strabag, der am Ausbau des AKWs Mochovce beteiligt ist.

Aber es ist ja ohnehin schon alles wurscht in einem Land, in dem der ehemalige ÖVP-Innenminister Ernst Strasser vom Lobbyisten Peter Hochegger 100.000 Euro dafür kassierte, dass er einem ausländischen Kunden half, "ein Problem zu beseitigen". Das ist die Sprache, wie man sie aus Mafia-Filmen kennt, womit Strasser in dankenswerter Offenheit zu verstehen gab, dass er durchaus weiß, an welche kriminelle Organisation man im Zusammenhang mit seinen halbseidenen Beratertätigkeiten zumindest denken darf. (Ich muss das so verklausuliert formulieren, weil man heutzutage ja wie ein Haftlmacher aufpassen muss, dass man nicht gleich wegen übler Nachrede verklagt wird. Außerdem hat Strasser mit mir noch eine Rechnung offen: Ihm ist es nämlich im Mai 1977 während einer großen Hörerversammlung an der Uni Salzburg nicht gelungen, mir das Mikrophon zu entreißen. Und darüber ärgert sich Strasser bis heute.) Aber sicherheitshalber erkläre ich auch in Bezug auf Ernst Strasser: Für ihn gilt die Ungustlvermutung!

Dieses Stichwort führt uns direkt zu einem anderen Parteigünstling, der im Windschatten der großen Abzocker seine Geschäfte betreibt, aber als Sozialpartner immer schön aus einer sicheren Deckung heraus agiert: Markus Beyrer, seines Zeichens Generalsekretär der Industriellenvereinigung und künftiger ÖIAG-Chef. Ich erwähne Herrn Beyrer deshalb, weil über ihn im Profil zu lesen war, dass er im Jahr 2008 von der Telekom Austria zu einem Jagdausflug ins schottischen Hochland eingeladen worden war. Organisiert haben soll die Jagd Alfons Mensdorff-Pouilly. Die Flugkosten in der Höhe von 21.800 Euro zahlte die Telekom Austria. Abgerechnet wurde dabei, laut Profil, über den Lobbyisten Peter Hochegger. Die Telekom erklärte daraufhin, dass sie "unterschiedliche Veranstaltungen für die Pflege von Kunden- und Opinion-Leader-Kontakten nutzt, dazu zählen auch Jagdveranstaltungen". Bitte diesen Satz zweimal lesen. (Vor allem, wenn Sie Telekom-Kunde sind).

Das taugt mir nicht

Ausgerechnet Herr Beyrer behauptete übrigens kürzlich in einem Interview, dass "Österreich eines der am meisten umverteilenden Länder ist, wodurch aus der Einkommensschere eine Umverteilungszange wird". Das sagt einer, für den es offenbar selbstverständlich ist, dass ein Flug nach Schottland 21.800 Euro kostet. Aber wie heißt es so treffend auf der Homepage der Industriellenvereinigung: "Industrie lebt Verantwortung."

Jetzt werden Sie vielleicht fragen, weshalb ich mich über solche Peanuts überhaupt noch aufrege, da diese hierzulande ja praktisch schon zum guten Ton gehören. Ich werde Ihnen sagen, warum: Weil mir am selben Tag, an dem ich die Meldung über Beyrers gesponserten Jagdausflug las, von meiner Steuerberaterin mitgeteilt wurde, dass ich als Künstler ab sofort "für im Ausland erbrachte Leistungen beim Finanzamt bis zum letzten Tag des auf den Leistungszeitraum folgenden Monats eine Zusammenfassende Meldung (ZM) abgeben müsse". Das ist ungefähr die zehnte Schikane, die sich Finanzminister Josef Pröll in den letzten Jahren ausgedacht hat, um Künstlerinnen und Künstlern das Leben so schwer wie möglich zu machen. Ein paar Tage später erhielt ich übrigens von der SVA auch noch die Mitteilung, dass meine Pensionsversicherungsbeiträge "im Zuge der Budgetkonsolidierung von 16,5 auf 17,5 Prozent angehoben wurden".

Während eine Elite von windigen Beratern, Lobbyisten, Anwälten, Bankern und Politikern also probemlos Millionen von Euros an der Finanz vorbeischleusen kann, werde ich vom Finanzamt schikaniert und von der SVA zwangsverpflichtet, meinen Beitrag zur Budgetkonsolidierung zu leisten.

Das taugt mir alles nicht, meine Herren, und ich frage mich, ob es nicht höchst an der Zeit wäre, auch in Österreich einen "Tag des Zorns" auszurufen. Allerdings kenne ich die österreichische Seele zu gut, um zu wissen, dass das hierzulande wahrscheinlich nicht funktionieren würde. Angefressen und grantig sind die Österreicher ja schnell, aber zornig? Und den "Tag des Grantscherms" feiern wir ohnehin 365-mal im Jahr.

Als Alternative zum "Tag des Zorns" könnte ich mir eventuell noch einen "Tag des nassen Fetzens" vorstellen. Das würde auch meiner Abneigung gegen körperliche Gewalt entgegenkommen. Aus diesem Grund finde ich ja auch "Tortungen" schwer in Ordnung, vor allem weil dabei Cremetorten verwendet werden, die nicht nur extrem weich sind, sondern auch sehr gut schmecken (okay, bei H.-C. Strache darf es ausnahmsweise auch eine Linzer Torte sein.)

Der "Tag des nassen Fetzens" könnte dann so aussehen, dass man seinen LieblingsdeppInnen mit einem richtig dreckigen Reibfetzen übers Gesicht fährt. Mehr wäre gar nicht nötig. Es gibt den "Weltknuddeltag", den "Tag des alkoholgeschädigten Kindes", den "Ehrentag der Luftpolsterfolie" und den "Welttag der Feuchtgebiete", weshalb sollte es also nicht auch den "Tag des nassen Fetzens" geben? Und weil wir in Österreich sind, könnten wir diesen Tag ja gleich gemeinsam mit dem "Weltlachtag" feiern. (Kurt Palm, DER STANDARD/ALBUM - Printausgabe, 26./27. März 2011)