Das Große Wiener Kaffeehaus-Experiment Phase I ist eine Versuchsanordnung für eine Kaffeehaus-Phänomenologie

"Kaffeehäuser sind wie Taschen der Öffentlichkeit, in denen Raum und Zeit konsumiert werden, aber nur der Kaffee taucht auf der Rechnung auf", lädt Architekt und Designer Gregor Eichinger zur Work-in-Progress-Ausstellung "Das Große Wiener Kaffeehaus-Experiment Phase I" in den MAK Design Space in Wien.

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Welche Arten von Kaffeehäusern gibt es? Doch zuerst: Was ist das Wiener Kaffeehaus überhaupt? Der Ort, die Besucher, der Kaffee, die Ausstattung? Diese und ähnliche Fragen werden in der Ausstellung gestellt. Antworten finden sich nur fragmentarisch, versteht sie sich doch als Work-in-Progress-Projekt, an dem sich BesucherInnen sowie Workshop-TeilnehmerInnen gleichermaßen beteiligen können.

Die Abfüllung des Kaffeehauses in Dosen verdeutlicht den Laborcharakter der Ausstellung.

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Im MAK Design Space wird man von einer dreidimensionalen Mind-Map begrüßt: einer kognitiv erstellten und kommentierten Collage aus historischen und aktuellen Zeichnungen, Plakaten, Fotografien und Objekten zur Kaffeehauskultur. Nur einen Monat lang dauerte die Vorlaufzeit für die Ausstellung - "das ist die Geschwindigkeit, mit der ein Designer an ein Projekt herangeht", weiß Kurator Thomas Geisler.

Foto: Kramar

Eine umfassende wissenschaftliche und historische Aufarbeitung der Kaffeehauskultur war explizit nicht das Ziel der in Dauerbewegung befindlichen Ausstellung. Sie erhebt auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. "Durch die Einbindung der Desgnerin Julia Landsiedl sollten museale Denkmuster durchbrochen und künstlerisch-wissenschaftliche Forschungsmethoden erprobt werden", erklärt Geisler.

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Der Lobmeyr-Luster zählt zur Wiener Kaffeehaus Standardausstattung und hängt heute beispielsweise im Café Westend.

"Alles was hängt" ist ein Teil der Ausstellung, in dem Bilder, Schilder Lampen gezeigt werden...

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... oder der klassische Fernsehapparat für diverse Übertragungen aus der Sportwelt - heute in Flat Screen-Technologie.

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Mehr als 300 gastronomische Einrichtungen sind derzeit in Wien als Kaffeehaus deklariert. "Das" Wiener Kaffeehaus wie auf der Liste gibt es nicht, denn bereits die Unterschiede zwischen einem Kaffeehaus im K&K-Stil (wie dem Griensteidl) und einem im Design-Status der 1960er-Jahre erhaltenen (wie dem Prückl), liegen Welten.

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Weniger bekannte Vorstadt-Kaffeehäuser, die Mischform Konditorei/Kaffeehaus, Cafés in Einkaufszentren, Stehcafés, Ketten aus den USA oder Bäckereien mit Café-Service, sie alle werden in der Ausstellung positioniert, nicht aber schubladisiert, geschweige denn bewertet.

Das klassische Einspänner-Arrangement.

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Die Wurzeln der Wiener Kaffeehauskultur beginnen in Äthiopien und führen über die Türkei. 

Fragen werden gestellt: "Wie türkisch ist die Wiener Vorstadt-Espressos? Was macht das Kent familientauglich? Wer sitzt im An Do am Yppenplatz?"

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"Kaffehäuser sind Orte, wo Zeit und Raum das Essenzielle sind", sagt Gregor Eichinger, der für die "Forschungsregie" des Kaffeehausexperimentes verantwortlich zeichnet. Erkenntnis: Das Glas Wasser zum Kaffee war in seiner ursprünglichsten Daseinsform zum Abspülen des Löffels gedacht.

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Welche Rolle spielt der Ober? Welche das Kipferl zum Kaffee, fragt Eichinger. Fest steht, dass ersterer letzteres - ebenso wie die Zeitungen - unter die Gäste gebracht hat. Als Sub-Unternehmer im Unternehmen Kaffeehaus. Aufgrund der dadurch bedingten Verdienstmöglichkeiten konnte er oft selbst ein eigenes Kaffeehaus eröffnen.

Wandbilder aus dem Café Schwarzenberg, gestaltet von Berthold Löffler.

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"Alles was steht" - eine Registrierkasse aus dem Café Drechsler, eine Schärf-Espressomaschine und die typische Kaffeehauspflanze.

Ende des Wiener Kaffeehaus Experiments ist "Die Versuchsanordnung", eine Art Kaffeehaus mit Betrieb auf Zeit von 5. bis 16. Oktober 2011. In der MAK-Säulenhalle werden die Ergebnisse aus den Labormodulen in Form unterschiedlich gebauter Szenarien zum Test angeboten . Die Ergebnisse werden darüber hinaus in einer Publikation veröffentlicht.

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Im "Café Elektric" läuft der gleichnamige moralisierende Film von 1927 mit Marlene Dietrich und Willi Forst...

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... und am Kaffeehaustisch wartet das "Fluchtachterl". Die Gläser sind von Peter Noever und können in mehrfacher Hinsicht als Abschieds-Souvenirs im MAK Design Shop erworben werden.

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Für die Workshops am 11./12.5. und am 15./16.6. gibt es noch freie Plätze - eine Anmeldung ist erforderlich. (Eva Tinsobin, derStandard.at, 27.03.2011)

Das Große Wiener Kaffeehaus-Experiment Phase I
MAK Design Space
Stubenring 5, Wien 1
2. März - 21. August 2011

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