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Nobelpreisträger Paul Crutzen ruft zur Senkung des globalen CO2-Ausstoßes auf - ist sich aber nicht sicher, ob dies reichen würde.

Foto: REUTERS/Andreas Manolis

Wien - Vorbeugen ist besser als heilen - dieser alte medizinische Leitsatz gilt auch im Klimaschutz, ist aber nur einer der Punkte, warum Geo-Engineering - also technische Eingriffe in natürliche Prozesse - auf viel Kritik stößt. Wird der CO2-Ausstoß vermindert, müsste man nicht nachträglich großmaßstäbliche Projekte zur Regulierung duchführen, sei es durch die Positionierung orbitaler Spiegel, die einen Teil des Sonnenlichts ablenken und damit die CO2-bedingte Erwärmung ausgleichen, sei es durch die Eisendüngung ozeanischer Gebiete, um durch vermehrtes Algenwachstum mehr CO2 zu speichern.

Andere Kritikpunkte betreffen die ungeklärten Nebenfolgen solcher Eingriffe in die Natur sowie die Frage, ob sie überhaupt wirksam wären: Pilotprojekte zur Meeresdüngung etwa haben bislang keine großen Hoffnungen auf einen Erfolg gemacht.

Vorschlag, Kritik und Rechtfertigung

Das weiß auch der niederländische Meteorologe und langjährige Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz, Paul Crutzen. Er hatte 2006 in einem polemischen Essay vorgeschlagen, Schwefel oder Schwefelwasserstoff in die Atmosphäre zu bringen. Diese Teilchen würden Sonnenstrahlen reflektieren und so den Treibhaus-Effekt bremsen - ein Effekt, wie er auch nach Vulkanausbrüchen als natürliches Phänomen beobachtet wird. Er sei für diesen Vorschlag "heftig von Kollegen angegriffen worden", sagt Crutzen.

Allerdings betont der Nobelpreisträger, dass er eine solche Strategie immer nur "als letztes Mittel" bezeichnet habe. Zuvor müssten alle anderen Möglichkeiten ausgelotet und mögliche Nebeneffekte erforscht werden, sagte der für die Entdeckung des Ozonlochs 1995 mit den Nobelpreis für Chemie ausgezeichnete Wissenschafter bei einem Besuch in Wien, wo er die Ausstellung "Alles Natur, alles Chemie" im Naturhistorischen Museum eröffnet hatte. Ein Schwefel-Schirm sei "keine Lösung, zuerst müssen wir sparsamer leben und den CO2-Ausstoß senken."

Aber wenn nichts unternommen werde und die Konzentration von CO2 weiter steige, "kann man in eine Situation geraten, wo die Folgen für das Klima so enorm werden, dass man zu anderen Mittel greifen muss". Crutzen ist bewusst, dass es durch den Schwefel in der Atmosphäre auch zu einem weiteren Abbau der schützenden Ozonschicht kommen kann. "Aber wenn das CO2 weiter ein Problem wird, wird es irgendwann die Wahl geben zwischen weniger Ozon oder weniger CO2."

Zu widersprüchlichen Meldungen über den Zustand der Ozonschicht in den vergangenen Wochen kann Crutzen nicht viel sagen. Während Neuseeländische Wissenschafter vor kurzem festgestellt hatten, dass das Ozonloch über der Antarktis so klein ist wie seit fünf Jahren nicht mehr, haben Wissenschafter des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts vor einem massiven Rückgang des Ozons in arktischen Regionen gewarnt. Man müsse solche Variationen erwarten, der Grund dafür liege vor allem in der Dynamik der Atmosphäre. Knapp 25 Jahre nach Verbot der Ozon-schädlichen Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) werde die Situation aber allmählich besser. Dennoch dauere es rund 100 Jahre, bis das Ozonloch endgültig verschwunden sein wird, so Crutzen.

Alternativen unter den alternativen Energiequellen

Bei seiner vor drei Jahren geäußerten Kritik an der Erzeugung von Biosprit aus Getreidesorten wie Mais oder Raps bleibt der Wissenschafter: "Das ist Quatsch". Durch die notwendige Düngung würde wesentlich mehr des gefährlichen Treibhausgases Lachgas frei als gedacht. Biosprit der zweiten Generation, also aus zellulosehaltigen Rohstoffen wie Holz oder Gräser, sei dagegen deutlich besser, weil nicht mit Stickstoff gedüngt werden müsse.

Bei den verschiedenen Alternativenergien sieht Crutzen in der Nutzung der Sonnen- und Windenergie das größte Potenzial, "das ist die einzige Lösung". Trotz des Atomunfalls in Japan ist für Crutzen "die Kernenergie nicht tot". Deutschland wolle zwar aussteigen, aber andere Länder wie China würden die Atomkraft ausbauen. Die Entscheidung in Deutschland sei "rein politisch. Was hier abgebaut wird, wird durch Energie aus Atomanlagen aus Frankreich ergänzt - was ist das für eine Lösung?", so Crutzen. (APA/red)