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Ein Bild aus glücklicheren Zeiten: Pressekonferenz "Ein Jahr Menschenrechtsbeirat" mit Gerhart Holzinger (damals MRB-Vorsitzender) und dem damaligen Innenminister Ernst Strasser. Holzinger ist heute VfGH-Präsident, Strasser ruhendes ÖVP-Mitglied.

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Unangekündigter Besuch im Polizeianhaltezentrum: Künftig sollen die Kommissionsmitglieder auch Justizanstalten und Psychiatrie kontrollieren können. Das Ziel: Der Schutz vor Verletzungen der Menschenrechte.

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Eines vorweg: Fix ist noch gar nichts. Dennoch scheint sich bei den Gespräch rund um die Schaffung einer neuen Anti-Folter-Kontrolle bereits eines abzuzeichnen: Die Tage des Menschenrechtsbeirats (MRB) im Innenministerium sind, zumindest in der gegenwärtigen Form,  gezählt.

Gelobt und beachtet

Die im Jahr 2000 als Reaktion auf den Fall des in Polizeigewahrsam zu Tode gekommen Marcus Omofuma gegründete Kontroll- und Beratungsinstanz in Sachen menschenrechtskonformer Polizeiarbeit wurde damals gefeiert und fand internationale Beachtung. Nun soll der Menschenrechtsbeirat aufgedröselt und in Zukunft der Volksanwaltschaft eingegliedert werden. Diesbezügliche Gespräche von Mitgliedern des Beirats, den VolksanwältInnen, dem Bundeskanzleramt und NGO-VertreterInnen sind seit längerem im Gang.

Demnach sollen die sechs Kommissionen des MRB zur Volksanwaltschaft wandern - was mit dem Beirat selbst, der ja im Innenministerium angesiedelt ist, passiert, ist unklar. Dessen Präsident Gerhart Wielinger äußerte leise Skepsis, was eine Ausgliederung auch des Beirats betrifft: Es sei „besser, wenn man dort angesiedelt ist, wo Entscheidungen getroffen werden", meint Wielinger.

Ministerien kritisieren sich selbst

Die Verlagerung der MRB-Kommissionen wird jedoch durchwegs positiv gesehen: Deren Mitglieder unternehmen unangekündigte Visiten in der Schubhaft und in Arrestzellen der Polizeiinspektionen, und erstatten den Beiratsmitgliedern Bericht, wenn es aus menschenrechtlicher Sicht Bedenken gibt. Die Bewertung dieser Fakten und das Formulieren von Empfehlungen obliegt jedoch dem Beirat selbst. Dass dort nicht nur NGO-VertreterInnen sitzen, sondern teils auch Abgesandte jener Ministerien, die für die Missstände letztverantwortlich sind, sorgte für Kritik.

Sollten die Kommissionen nun in die Volksanwaltschaft wandern, so erhoffen sich viele eine stärkere Unabhängigkeit der Vollzugskontrolle. "Die Kritik könnte dann in stärkerem Maße ungefiltert passieren", glaubt Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International.

Spontanbesuch im "Häfn"

Anlass für die Verlagerung ist die immer noch ausständige Ratifizierung des Anti-Folter-Zusatzprotokolls der Vereinten Nationen (OPCAT), das Österreich im September 2003 unterzeichnet hat. Vereinfacht gesagt, sorgt die Umsetzung dieses Übereinkommens dafür, dass Menschen in allen Mitgliedsländern vor menschenrechtswidriger Behandlung in Situationen des Freiheitsentzugs - Untersuchungshaft, Strafhaft, aber auch Altersheim oder Psychiatrie - geschützt werden sollen. Unangekündigte Besuche spezieller Kontrollkommissionen in all diesen Institutionen sollen dafür sorgen, dass Missstände aufgedeckt und behoben werden können.

In Österreich sollen diese Spontan-Visiten von den Kommissionen des Menschenrechtsbeirats übernommen werden, die mit solchen Besuchen ja bereits jahrelange Erfahrung haben. Mit den Kommissionen an die Volksanwaltschaft anzudocken, hält Patzelt im derStandard.at-Gespräch für "eine gute Lösung". 

"Geschluckt, verdaut und ausgeschieden?"

Wie die neue Struktur nun aussehen soll, ist hingegen völlig offen. Georg Bürstmayr, zurzeit Kommissionsleiter beim MRB, sieht den Zuwachs an Aufgaben positiv - schließlich konnten bislang nur Schubhaft und Polizeiarrest, aber nicht Strafhaft, Untersuchungshaft oder Psychiatrie unter die Lupe genommen werden. Grund für Jubel sieht der Jurist aber noch nicht: "Die große Frage ist: Wird es ein Merger, oder wird es eine Akquisition?", zieht Bürstmayr Vergleiche zu Unternehmensfusionen. Anders formuliert: "Bleiben die Kommissionen bestehen, oder werden sie von der Volksanwaltschaft geschluckt, verdaut und ausgeschieden?"

Sorge um "kritischen Geist"

Walter Suntinger, Mitglied einer MRB-Kommission und jahrelang selbst Mitglied des Beirats, sorgt sich indes um den "kritischen Geist der Kommissionen": Die Kommissionsmitglieder hätten in all den Jahren "viel Erfahrung angehäuft, wir kennen die Dinge schon ganz gut".

Dieses Insiderwissen hätte die Kommissionsmitglieder immer wieder veranlasst, nicht nur die Vollzugspraxis, sondern auch die ihr zugrunde liegenden Gesetze zu kritisieren. "Die Frage ist, inwieweit diese Kritik dann in die Empfehlungen der Volksanwaltschaft Eingang finden wird", meint Suntinger - schließlich handle es sich bei zwei der drei VolksanwältInnen um Abgesandte jener Parteien, die diese Gesetze im Parlament beschlossen haben.

Österreich als "Best-Practice"

Auch Suntinger sieht die Veränderung aber insgesamt positiv und hält es sogar für möglich, "dass dabei eine Lösung herauskommt, die dann anderen Ländern als Best Practice-Beispiel dient".

Um der Kritik der Kommissionen weiterhin Gehör zu verschaffen, wünschen sich Bürstmayr und Suntinger ein Mitspracherecht der Kommissionsleitungen, wenn es um die Ausarbeitung von Empfehlungen an Politik und Verwaltung geht.

"Es braucht kein Hudeln"

Wie die Strukturen konkret gestaltet werden, ist aber eine Frage, mit der sich nun der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts beschäftigen muss. Glaubt man Beteiligten, soll noch vor dem Sommer ein Begutachtungsentwurf vorliegen, der dann die Zustimmung von zwei Dritteln der Nationalratsabgeordneten braucht. Heinz Patzelt sieht den Zeitplan skeptisch: "Wir haben bis jetzt unnötig lange gebraucht, um der Ratifizierung näher zu kommen. Ich ziehe eine gute Regelung einer schnellen Regelung vor - es braucht kein Hudeln." (Maria Sterkl, derStandard.at, 25.3.2011)