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Mobilität ist ein wertvolles Gut. Nicht immer ist sie nur mittels Auto zu haben.

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Andreas Knie: Autofahren ist quasi der Treiber der Individualität. Kaufen muss man es zukünftig gerade im urbanen Bereich nicht mehr.

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Heute Donnerstag steht wieder einmal ein Spritpreisgipfel ins Haus. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner setzt sich mit der Mineralölbranche und den Autofahrerclubs an einen Tisch, um zu diskutieren, wie viel vom hohen Treibstoffpreis "hausgemacht" ist. Der Anlass ist klar: Die Österreicher klagen wieder über stark gestiegene Spritpreise. Im Vergleich zum durchschnittlichen Preisanstieg in der EU schneidet allerdings Österreich ohnedies gut ab, wie sich regelmäßig bei entsprechenden Vergleichen zeigt. Langfristig schadet es aber ohnedies nicht, wenn die Preise steigen, ist Mobilitätsforscher Andreas Knie im Interview mit derStandard.at überzeugt. Gerade was den Gütertransport betrifft, bringe nur ein hoher Treibstoffpreis eine dringend notwendige Trendwende.

derStandard.at: In Wien wird wieder einmal ein Spritpreisgipfel einberufen. Anlass ist der zuletzt wieder recht kräftig gestiegene Treibstoffpreis. Auf den Straßen scheint sich allerdings der vielbeklagte Preisanstieg nicht niederzuschlagen – oder täuscht dieser Eindruck?

Andreas Knie: Man muss schon erkennen, dass die Mengen der Fahrleistungen im motorisierten Individualverkehr nicht weiter gestiegen sind, sondern im europäischen Maßstab sogar leicht zurückgegangen. Verkehrsmittel wie Fahrräder haben hingegen deutlich gewonnen. Es gibt zwar keine Trendwende, aber dennoch eine deutliche Verschiebung.

derStandard.at: Verdankt sich diese Entwicklung nicht vielmehr unserem zeitgemäßen Bild vom jungen, dynamischen, gestylten, sportlichen und aktiven Menschen?

Knie: Das auch. Aber es hat schon auch mit dem Preis zu tun. Man muss sich allerdings nicht nur den Personenverkehr, sondern auch den Güterverkehr anschauen. Da ist der Spritpreis, wenn man die Gesamtkostenstruktur des Stückgutes anschaut, noch viel zu gering. Um die Verteilung der Produktion auf die Erdteile im nennenswerten Umfang zu reduzieren, ist der Preis noch lange nicht hoch genug. Solange der Transport im Schnitt zwei bis fünf Prozent in der Gesamtkostenstruktur ausmacht, gibt es keinen Anlass, die Produktion von Gütern nicht nach Fernost zu verlegen.

derStandard.at: Wie hoch müsste der Transportkostenanteil sein, um eine Gegenbewegung in die Wege zu leiten?

Knie: Sicher vier, fünf Mal so groß.

derStandard.at: Zahlen muss ja ohnedies der Konsument, der dann also bei Kostenwahrheit vermehrt auf das Produkt aus heimischer Produktion zurückgreifen würde. Wäre das das Ziel?

Knie: Genau. Wenn ich ein Bier aus Australien kaufe, kostet das meinetwegen zwei Euro. Der Transport aus Australien kostet aber fünf Euro. Damit stünde das Bier um sieben Euro im Regal und wäre eben fünf Euro teurer als ein lokales. Der Wahn, alle Nahrungsmittel, die weltweit irgendwo verfügbar sind, auf deutschen und österreichischen Tischen haben zu müssen, das geht nicht mehr. Es wird sich wieder so einpendeln, dass man bei Dingen, die von weit her kommen, die entsprechenden CO2-Einträge einpreist und die damit deutlich teurer werden.

derStandard.at: Das würde ja die Warenwelt, wie wir sie jetzt kennen, völlig auf den Kopf stellen und bedeuten, dass die Wertschöpfungs- und Lieferketten, die jetzt rund um die Welt aufgebaut worden sind, wieder abgebaut werden müssten?

Knie: So denken die Logistikkonzerne schon. "Green Logistics" ist ein großes Thema. Die EU denkt schon darüber nach, das zu organisieren, und die Amerikaner sind auch nicht dumm. Das kann schneller implodieren, als einem lieb ist.

derStandard.at: Würde ein von Ihnen genanntes Ausmaß an Preisanstieg auch die Menschen im Individualverkehr veranlassen, massenhaft auf Bahn und andere Öffis umzusteigen?

Knie: Das lässt sich schwer voraussehen. Wir hatten in Deutschland die Debatte, was passiert, wenn der Sprit fünf Mark kostet. Wir konnten es nicht sagen. Wir haben aber 2008 gesehen, als der erste große Peak beim Ölpreis erreicht wurde und der Spritpreis dementsprechend teuer war, dass die Menschen weniger Auto und mehr Fahrrad fuhren. Die Verschiebung war aber eher moderat.

derStandard.at: Zugleich nimmt – unter anderem auch auf Österreichs Straßen – mit den so genannten SUVs die Zahl der fetten Brummer recht deutlich zu.

Knie: Da ist allerdings die Spitze erreicht. Es spricht sich langsam herum, dass diese großen Autos nicht mehr zeitgemäß sind, weil der Verbrauch einfach zu groß ist. Das wird schön langsam eher peinlich. Jemand, der so ein Auto fährt, outet sich als jemand, der nicht ganz auf der Höhe der Zeit ist.

derStandard.at: Mobilität wird heuer insgesamt um einiges teurer. Spritpreise und Öffi-Tarife steigen, Flugtickets werden teurer. Wieviel ist uns Mobilität wert? Oder anders gefragt: Wie hoch ist der Anteil an den Haushaltskosten, den die Menschen in unseren Breiten für Mobilität ausgeben?

Knie: Wenn man einen ganz groben Durchschnitt nimmt, sind wir bei knapp unter einem Fünftel.

derStandard.at: Das bedeutet, wir geben für unsere Mobilität mehr aus als für Lebensmittel. Hier liegt der Anteil bei rund 13 Prozent.

Knie: So ist es. Die Lebensmittelpreise sind langfristig gesehen dramatisch gesunken.

derStandard.at: Das Auto verbinden gerade Stadtbewohner auch mit einer gewissen Vorstellung von Freiheit. Manch einer braucht es umgekehrt auch, um sich eine andere Vorstellung von Freiheit – das Haus auf dem Land – erfüllen zu können. In unseren Lebenskonzepten hat das Auto also eine ganz große Bedeutung...

Knie: Natürlich ist Autofahren quasi der Treiber der Individualität. "Eigenzeit – Eigenraum" sind die bestimmenden Rahmenbedingungen. Die Menschen wollen also zu der von ihnen bestimmten Zeit im eigenen Raum unterwegs sein. Und da sie das können, haben sie das Auto immer im Kopf und planen dementsprechend. Aber der Wandel, den wir jetzt erleben, ist der, dass wir nicht mehr das eigene (große) Auto brauchen. Bald kriegen Sie an jeder Ecke praktisch so viel Automobilität geliefert, wie Sie brauchen. Wie Sie das machen – ob über leihen, Carpooling – ist ganz unterschiedlich. Sie müssen also das Auto nicht mehr kaufen, leben aber weiterhin mit dem Auto im Kopf. Da gibt es einen regelrechten Boom in diesem Bereich.

derStandard.at: Hinken nicht die öffentlichen Verkehrsbetriebe diesen neuen Konzepten mit ihren Tarifen noch weit hinterher? Bahn und Öffis mit ihren Jahreskarten oder kilometerbasierten Tarifen machen ja das zeitweilige Umsteigen aufgrund der hohen Preise für Wenig-Fahrer nicht eben attraktiv...

Knie: Absolut. Während sich bei der Auto- und Fahrradindustrie einiges tut, hinken die Öffis weit hinterher. Wir brauchen da sicher neue Tarifstrukturen. Aber die warten eher darauf, dass alles auf sie zurollt. (Regina Bruckner, derStandard.at, 23.3.2011)