Maya Rinderer widmet ihren Roman "Esther" dem Großvater.

Foto: Bucher Verlag

Sie erzählt in "Esther", wie ein junges Mädchen den Holocaust überlebt. Das Buch ist eine Annäherung an die eigene Familiengeschichte.

Hohenems – Der Salomon-Sulzer-Saal, die frühere Synagoge von Hohenems, ist am Sonntagabend bis auf den letzten Stehplatz gefüllt. Nicht nur die übliche Literaturgemeinde ist gekommen, um der jungen Autorin zu lauschen. Maya Rinderer zieht vor allem auch junge Menschen an, viele davon Freundinnen und Freunde aus dem Gymnasium Dornbirn. Neugierig sind sie und stolz, dass da eine jener Generation, der man vorwirft, nicht einmal richtig lesen zu können, einen 350-Seiten-Roman schreibt. Noch dazu über ein Thema, "für das sich viele Jugendliche nicht interessieren, weil es halt schon ewig lang her ist", wie ein junger Besucher sagt.

Warum sich Maya Rinderer ausgerechnet den Holocaust, das schwierigste aller Themen für ihren Roman ausgesucht habe, will Hanno Loewy, Direktor des jüdischen Museums Hohenems und an diesem Abend Gesprächspartner der jungen Autorin, wissen. "Ich wusste von frühester Kindheit an, dass da etwas in der Vergangenheit meiner Familie war, aber man wollte es mir nicht sagen", erzählt Maya Rinderer. Als dann ihre Mutter mit dem Großvater eine Reise nach Auschwitz plante und sie, das kleine Mädchen, nicht mitnahm, habe sie mit ihren Recherchen begonnen.

Elf Jahre alt war sie damals, trug zusammen, was sie über Verfolgung und Vertreibung der Juden finden konnte. Internet, Filme, Bücher, auch Fachliteratur aus der Bibliothek des Museums dienten als Quellen. Mit zwölf Jahren habe sie dann ihren Roman skizziert, zu schreiben begonnen, "oft in der Mathestunde".

Sie näherte sich aus der Sicht des jungen Mädchens Esther der (möglichen) Vergangenheit ihres Großvaters. Maya Rinderer lässt ihre Romanheldin Vertreibung, Flucht, den Zerfall der Familie durchleiden und schließlich die Odyssee durch Verstecke und Konzentrationslager überleben. "Ja, manche haben es als anmaßend empfunden, dass ich als jemand, der das alles nicht selbst erlebt hat, darüber schreibe", spricht die junge Autorin offen über Kritik.

Sie habe das Buch schreiben müssen, gewissermaßen als "Befreiung von vielem, das mich belastet hat". Etwa das Schuldgefühl, zwei Generationen zu spät geboren zu sein. Gewidmet hat Maya Rinderer das Buch ihrem Großvater in Tel Aviv. Was der Großvater zum Buch sage, will ein Zuhörer wissen. "Er ist stolz, obwohl er nicht alles lesen kann, weil sein Deutsch nicht so gut ist." Auch die Enkelin ist stolz: Durch das Buch habe der Großvater begonnen, über sein Leben zu sprechen. "Ich werde ein Buch über ihn schreiben, glaube ich." Zuvor wären da aber noch fünf Romane, an denen sie parallel arbeite. Und dazu noch Theater, Hörspiele, Kurzgeschichten. Schreiben werde sie immer, sagt die Jungautorin, "das gehört zu meinem Leben". Wenn sich damit später auch Geld verdienen ließe "wäre das schon sehr praktisch". (Jutta Berger, DER STANDARD – Printausgabe, 22. März 2011)