Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion in den Räumlichkeiten der ARS - Akademie für Recht, Steuern & Wirtschaft (v.l.n.r.): Franz Wohlfahrt, Generaldirektor Novomatic AG, Heidi Glück, Geschäftsführerin media+public affairs consulting GmbH, Wolfgang Lusak, Lobby-Coach, Margarete Kriz-Zwittkovits, Präsidentin des Österreichischen Gewerbevereins, Michael Krammer, CEO Orange Austria Telecommunication GmbH und Günther Lutschinger, Fundraising Verband Austria.

Foto: ARS Akademie für Recht, Steuern & Wirtschaft.

"Es ist ein essenzieller Bestandteil eines demokratischen Rechtsstaates." Franz Wohlfahrt lässt keinen Zweifel, welche Rolle Lobbying für sein Unternehmen spielt: "Ohne Lobbying würde es keine vernünftige Regulierung geben", sagt der Chef des Glückspielkonzerns Novomatic in Anspielung auf das neue Glücksspielgesetz, das im vergangen Jahr fixiert wurde. "Die antiquierten österreichischen Rahmenbedingungen wurden modernisiert". "Modernisiert" heißt geändert; und zwar im Sinne von Novomatic.

"Steter Tropfen höhlt den Stein"

Die Automaten, das Kerngeschäft des Konzerns, dürfen mit mehr Geld gefüttert werden. Höchsteinsätze und Gewinne wurden vervielfacht. Wohlfahrt macht kein Hehl daraus, dass die Regeln das Resultat intensiver "Überzeugungsarbeit" sind: "Steter Tropfen höhlt den Stein."

Chefsache

Wie viele Tropfen welche Steine höhlen können, war vergangene Woche Thema einer Podiumsdiskussion in Wien im Rahmen des Lobbying-Kongresses. Die Frage "was macht morgen mächtig?", so der Titel der Veranstaltung, beantwortet Wohlfahrt mit dem Wunsch nach umfangreicher Deregulierung der Märkte. Das Internet habe ohnehin die monopolistischen Schranken zerschmettert: "Das Glückspiel kann jetzt grenzüberschreitend, weltweit vermarktet werden", so der Novomatic-Boss, dessen Konzern in 19 Ländern Dependancen hat. Dementsprechend breit müsse die Lobbyingarbeit aufgestellt sein. Vom nationalen Bereich über die EU-Institutionen bis hin zur WTO. Für Wohlfahrt Chefsache: "Sonst gibt es keinen Erfolg". Das Erfolgsgeheimnis? "Man muss einfach authentisch argumentieren können." Flankierend zum persönlichen Engagement holt er sich noch professionelle Unterstützung von Agenturen.

Tarifsenkungen

"Am Beginn meiner Karriere habe ich gedacht: Wer braucht schon Lobbying? Es zählen schließlich die Produkte." Michael Krammer, Chef des Mobilfunkers Orange, räumt eine gewisse Naivität im Umgang mit den Spielregeln der Macht ein. Seine Branche sieht er mehr als Lobbying-Verlierer denn als -Gewinner: "Bei uns wurden die Preise in den letzten Jahren um 50 Prozent gesenkt", berichtet er und kritisiert die Regulierungswut der EU-Kommission. Zum Beispiel in punkto Roaminggebühren, die limitiert werden sollen. "Eine Kommissarin braucht einen populistischen Erfolg", sagt Krammer und meint damit Neelie Kroes, die die preisliche Differenz zwischen nationalen und EU-weiten Gesprächsgebühren ebnen will.

Preisschlacht statt gemeinsames Vorgehen

Der Orange-Chef spart nicht mit Selbstkritik, innerhalb der Telekommunikationsbranche fehle es an Geschlossenheit: "Wir haben uns hier dilettantisch angestellt, weil wir dachten, das kommt eh nicht." Statt bei Gesetzesvorhaben an einem Strang zu ziehen, gebe es einen beinharten Konkurrenzkampf, der in einer wahren Preisschlacht kulminiere. Auch für Krammer ist Lobbying Chefsache und "Mitbestandteil der Unternehmensführung". Je stärker die Persönlichkeit, desto direkter könne man seine Themen lancieren. Wichtig sei es, die Ziele sehr genau zu definieren und den konkreten Nutzen herauszustreichen.

"Zeit-und Geldfrage"

Für Margarete Kriz-Zwittkovits, Präsidentin des Österreichischen Gewerbevereins, ist Lobbying primär eine "Zeit-und Geldfrage". Vor allem bei den klein- und mittelständischen Unternehmen konstatiert sie Nachholbedarf. "Die meisten Chefs sind in ihren Betrieben zu sehr eingedeckt." Man müsse schließlich zu Veranstaltungen hingehen, über gewisse Netzwerke präsent sein. Neben der zeitlichen Komponente sei das auch eine Frage des Bewusstseins: "Wenn das einmal da ist, nimmt man sich auch die Zeit dafür".

Mehrwert definieren

Das Bewusstsein ist bei Heidi Glück auf jeden Fall vorhanden. Sie war jahrelang strategische Beraterin und Pressesprecherin von Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel, jetzt ist sie Geschäftsführerin von "media + public affairs consulting". Lobbying funktioniere nach simplen Prinzipien, erzählt Glück: "Die Wirtschaft muss den Mehrwert definieren, wenn sie bei Politikern was erreichen will." Eine anfängliche Minderheitenposition könne gezielt zu einer Mehrheitsmeinung transformiert werden, behauptet sie: "Mit viel Informations- und Kommunikationsarbeit."

Für Glück ist Lobbying nichts anderes als der "Informationsaustausch von Wirtschaft an Politik und von Politik an Wirtschaft". Globale, komplexe Themen bedürfen eines Know-How-Transfers. Würde man diesen Prozess positiv sehen, bekäme Lobbying sofort den Anstrich des Seriösen, glaubt sie, denn: "Das hat überhaupt nichts mit Bestechung zu tun."

Emotion schlägt Ratio

Auf Lobbying sind auch Nichtregierungsorganisationen angewiesen. Ein Rezept hat Günther Lutschinger, Präsident des Fundraising Verbandes Österreich, parat: "Die Emotion schlägt immer die Ratio." Für Wolfgang Lusak wird das Lobbying der Zukunft eine Frage des Teamworks sein. Neben dem Management müssten noch andere Abteilungen involviert sein, so der Lobbying-Coach, der seine Profession nicht alleine auf den Wunsch nach Gesetzesänderungen reduziert sehen will: "Es geht um viel mehr. Etwa Aufträge, Konzessionen oder Förderungen." Politikern empfiehlt er eine "Entziehungskur für ihre Mediensucht". Sie definierten sich zu sehr an der Reflexion, moniert er: "Und das setzen sie fälschlicherweise mit dem Wählerwillen gleich."

Hart ins Gericht mit Politikern geht auch Heidi Glück. "Die Angst vor dem Wahltag, die Angst vor dem Bürger" dominiere das Handeln der Akteure, räsoniert die Kommunikationsberaterin. Mit guten Argumenten ließen sich Widerstände überwinden. "Man denkt leider die Kommunikation viel zu spät mit", sagt sie: "Erst wenn es fünf vor zwölf ist." Immer mitdenken müsse man, wann und bei wem man ein Thema positioniert, meint Orange-Chef Krammer. "Politiker kennen sich in vielen Bereichen nicht aus", ist er überzeugt.

Ethische Kriterien

Gibt es beim Lobbying ethische Kriterien, wo es übergeordnete Interessen gibt? Eine Frage, die in Zeiten von schwarzen Schafen, die die Lobbying- und PR-Branche infiltrieren, immer relevanter wird. Für Wolfgang Lusak eine Sache der Abwägung: "Wo steht der Nutzen von einem dem Nutzen von vielen gegenüber?" Je größer die Öffentlichkeit, desto ethischer. "Die Frage ist, ob es der Mehrheit gut tut." (om, derStandard.at, 21.3.2011)