Wer auf der Internationalen Ebene über den Einsatz von Waffengewalt nachdenkt oder gar dafür eintritt, sollte folgendes bedenken:

  • Auf der internationalen Ebene agieren Kollektive, unter der Leitung irgendwelcher Führungsgarnituren (Regierungen etc.), welche nicht selber kämpfen, sondern kämpfen lassen. Von dem mit dem Einsatz von Waffengewalt unvermeidlich verbundenem Leid bleiben sie in der Regel verschont. Darum ist es so wichtig, dass Entscheidungen für einen Waffeneinsatz über möglichst viele innerstaatliche Instanzen laufen und auch noch der Genehmigung durch den UN-Sicherheitsrat bedürfen.
  • Waffengewalt hat keine Gestaltungs-, sondern nur Vernichtungskapazität. Sie löst keine Probleme, sondern schafft eine neue Konfliktsebene mit eigenständigen Parametern, die den ursprünglichen Konflikt überlagert. Jetzt geht es um Sieg oder Niederlage. Die Lösung der eigentlichen Probleme wird auf die Zeit danach verschoben. Das bedeutet auf Libyen übertragen, dass das Flugverbot die Opposition keineswegs automatisch an die Macht bringt.
  • Aus diesen und noch einer Reihe von anderen Gründen sollte dem Einsatz bewaffneter Gewalt eine genaue Definition der damit angestrebten Ziele vorangehen. Denn nur eine möglichst präzise Zieldefinition ermöglicht eine plausible Vorschau auf die Beendigung des Waffeneinsatzes. Diesbezüglich bleibt übrigens die UN-Resolution 1973/2011 äußerst vage.
  • Am Ende jeder bewaffneten Auseinandersetzung steht immer in irgendeiner Form ein Verhandlungstisch, an dem die Bedingungen für die Einstellung der Kampfhandlungen aber eben auch die ursprünglichen Probleme verhandelt werden. Es liegt daher der Vorschlag nahe, zu prüfen, ob nicht die Gewaltphase übersprungen und gleich verhandelt werden könnte. Die Verhandlungspartner kann man sich dabei nicht aussuchen. Man muss selbst die garstigsten akzeptieren, wenn sie entscheidungsbefugt sind. Verhandeln heißt aber auch, der Gegenseite, was anzubieten. Im Fall Gaddafis hätte das vielleicht ein einigermaßen akzeptables Exil für ihn und sein Familie irgendwo sein können. Kein übertrieben hoher Preis, wenn man an die Schonung von Menschenleben und die Einsparung des Abermillionen-Aufwandes für die Luftwaffeneinsätze über Libyen denkt. (Manfred Rotter/DER STANDARD, Printausgabe, 22.3.2011)