Bukarest - Der rumänische EU-Parlamentarier und Ex-Außenminister Adrian Severin, der infolge einer verdeckten Ermittlung der britischen Tageszeitung "Sunday Times" unter dem Verdacht der Bestechungsannahme steht, hat in einem Interview gegenüber der Nachrichtenplattform "Hotnews.ro" am Sonntag alle Anschuldigungen zurückgewiesen. Er habe durch seine "Beratungstätigkeit" für die angebliche Lobbyfirma "keine europäischen und auch keine moralischen Gesetze gebrochen". Severin soll für die erfolgreiche Einbringung einer Gesetzesänderung im EP 12.000 Euro angenommen haben.

Wie EP-Sprecher Jaume Duch gegenüber der Agence France Presse am Sonntag bekanntgab, wird in diesem Fall eine institutionelle Ermittlung veranlasst. Der ebenfalls in den Skandal verwickelte österreichische EP-Abgeordnete und Ex-Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) hat am Sonntag seinen Rücktritt bekanntgegeben. Auch der slowenische EP-Abgeordnete Zoran Thaler ist mit ähnlichen Anschuldigungen konfrontiert.

"Kein kausaler Zusammenhang"

Severin wurde nach eigenen Angaben im Dezember 2010 von angeblichen Lobbyisten der Firma "Tylor Jones Public Affairs" kontaktiert, denen er "helfen" sollte, einen Gesetzesänderungsantrag im EU-Parlament zu stellen. Dabei handelt es sich um die finanzrechtlichen EU-Richtlinien 94/19/CE und 2009/14/EG. Die darin vorgesehene Auszahlungsfrist bei der Rückzahlung von Bankeilagen im Bankrottfall wurde von einer Woche auf einen Monat verlängert. Im Jänner unterschrieb Severin mit der Lobbyfirma einen Vertrag, durch den er sich verpflichtete, dieser prozedurtechnische, politische, technische und strategische Informationen im Zusammenhang mit diesem Gesetz zu liefern.

Die Änderungsinitiative wurde im Februar eingebracht, allerdings nicht von Severin selbst, sondern von seinem rumänischen EP-Kollegen Sebastian Bodu, der am Sonntag ebenfalls die Verbindung zur Bestechungsaffäre abstritt, auch wenn er ein Treffen mit Severin zu einem Gespräch über die Gesetzesänderung im Februar zugibt. "Ich habe aber den Antrag nicht gestellt und dafür auch kein Geld verlangt", erklärt Severin. Es bestehe "kein kausaler Zusammenhang" zwischen der eingebrachten Gesetzesänderung und dem Beratungshonorar, das der EU-Parlamentarier kurz nach der Adaptierung der neuen EU-Richtlinie von der Lobbyfirma forderte, aber nie ausbezahlt bekam. Auch hatte Severin die Firma in einer E-Mail-Nachricht darüber informiert, dass "die Gesetzesänderung, die Sie sich gewünscht haben, rechtzeitig eingebracht wurde".

14 von 60 zeigten sich interessiert

Aus einem auf der Plattform "youtube.com" veröffentlichten "Sunday Times"-Video, das Gespräche zwischen Severin und den als Lobbyisten getarnten Journalisten zeigt, geht jedoch hervor, dass Severin den Vorschlag macht, "eine Gesetzesänderung einzubringen oder einen Kollegen zu fragen". Später berichtet Severin den angeblichen Lobbyisten, dass er nach mehreren gescheiterten Versuchen, einen Mittelsmann zur Einbringung der Gesetzesänderung zu finden, Sebastian Bodu dafür gewinnen konnte. Auf die Frage, ob er Bodu über die Abmachung mit den Lobbyisten informiert habe, antwortet Severin, dass er "nichts gesagt" habe. Im Laufe der acht Monate andauernden "Sunday Times"-Enquete wurden insgesamt 60 EU-Parlamentarier angesprochen. 14 zeigten sich interessiert, drei ließen sich für Interventionen in die Gesetzgebung des EP zugunsten der Lobbyisten bis zu 100.000 Euro bezahlen. (APA)