Bild nicht mehr verfügbar.

Bebenopfer in Kobe - 1995 bebte dort die Erde.

Foto: Reuters/Kimimasa Mayama

Als er auf dem Flughafen in der nordjapanischen Stadt Sendai den Tsunami heranrollen sieht, schließt Makoto mit dem Leben ab. Schnell tippt er eine Mail in sein Handy, um sich von Familie und Freunden zu verabschieden. Dann nehmen er und die Mitschüler voneinander und dem Leben Abschied und warten auf den Tod. Doch wie durch ein Wunder lässt der Tsunami sie am Leben und reißt nur das Wohnheim nebenan mit. Aber freuen kann er sich nicht. "Ich sehe keinen Sinn mehr im Leben", sagt er, nun in Sicherheit in einer Stadt nahe Tokio.

Der junge Mann leidet an etwas, das in Nordjapan zunehmend zur Herausforderung wird: posttraumatische Belastungsstörung. Keine Katastrophe der Nachkriegsgeschichte hat in Japan so viele Menschen so schwer getroffen wie das Beben der Stärke 9 vom 11. März.

Bisher wird noch keine starke Kritik an der Regierung laut, ein Blick auf die Landkarte zeigt jedem, wie groß die Herausforderung für die Retter ist. Das Erdbeben und der anschließende Tsunami haben einen 400 Kilometer langen Küstenstreifen mitsamt Hinterland hart getroffen.

Seelische Wunden

Doch für die Überlebenden dürfte mit jedem Tag des Wartens der psychische Schaden steigen, zeigt ein Blick nach Kobe, der bisher am schwersten von einem Beben betroffenen Stadt Japans. 1995 starben dort 6400 Menschen. Hoffnungslosigkeit und das Gefühl der Isolation, weil keine Hilfe kommt, vertiefen die seelischen Wunden, meint Osamu Makise.

Makise ist dritthöchster Priester im shintoistischen Minatogawa-Schrein im Herzen von Kobe. Als ob es heute wäre, erinnert er sich an die Gebete der Überlebenden. "Aber die schwierige Lage hat nicht lange angehalten, und sie konnten schon bald wieder über den Wiederaufbau nachdenken." Nach drei bis vier Tagen kamen Lebensmittel, die Menschen konnten Hoffnung schöpfen. "Die Situation im Norden ist viel schlimmer. Es wird daher weit mehr seelisches Leiden geben."

Nur langsam läuft die Hilfe im Bebengebiet an. Unter dem Stichwort "Kokoro-Care" (Herzenströster) gehen Freiwillige zu Menschen in Evakuierungszentren. Sie wollen Opfer dazu bringen, über ihre Gefühle zu sprechen. Besonders für Kinder ist es schwierig. In der Region um Kobe wurde in jeder Schulklasse ein zweiter Lehrer eingesetzt. Sie sollten den Schülern helfen, mit dem Horror leben zu lernen. Abgeschlossen ist das Projekt bis heute nicht. (Martin Kölling aus Kobe/Mitarbeit: Yuri Oiwake/DER STANDARD, Printausgabe, 21. März 2011)