Wien - Das Erdbeben und der Tsunami in Japan könnten wirtschaftlich gravierendere Auswirkungen haben als bisher gedacht - zumindest in Asien. Südkorea, die Philippinen, Thailand, aber auch China könnten die Folgewirkungen der Japan-Katastrophe in den kommenden Monaten kräftig zu spüren bekommen, warnt die Weltbank in einem am Sonntag präsentierten Bericht. Im Blickfeld haben die Weltbank-Ökonomen dabei den regionalen Handel und die Staatsverschuldung.

Nach dem Erdbeben am 11. März setzte der Yen zu einem Höhenflug an. Vor dem Beben kostete der Dollar noch 83 Yen. Am Donnerstag waren es zeitweilig "nur" noch 76,3.

Die Erstarkung der Währung muss nicht nur das exportabhängige Japan fürchten, dessen Ausfuhren sich bei einer Aufwertung verteuern. Ein nachhaltiger Yen-Höhenflug könnte auch zahlreiche Länder in Asien in Turbulenzen bringen. Denn ähnlich wie in Osteuropa, wo viele lokale Finanzmärkte zu klein sind und die Staaten sich daher in Fremdwährungen verschulden, setzten auch zahlreiche asiatische Länder auf Devisen, konkret auf den Yen.

Rund ein Viertel der ausstehenden Verbindlichkeiten in Südostasien notieren laut Weltbank in der japanischen Währung. Dabei gibt es große Unterschiede: Thailand hat 70 Prozent seiner Auslandsverbindlichkeiten in Yen begeben, Vietnam und die Philippinen immerhin fast 40 Prozent. Schon eine einprozentige Yen-Aufwertung (Donnerstag waren es neun Prozent) würde die Entwicklungsländer in der Region eine Viertelmilliarde Dollar kosten.

Geld nach Hause geholt

Ausgelöst wurde die Aufwertung durch japanische Investoren, die weltweit Anlagegeld zur Finanzierung des Wiederaufbaus nach Hause holten, glauben Analysten. Zudem wurden zahlreiche spekulative, mit Yen finanzierte Währungsgeschäfte als Folge der Kursschwankungen aufgelöst, was der Währung weiter Auftrieb gab.

Als Reaktion haben die G-7-Staaten massiv in den Devisenmarkt eingegriffen. Allein die japanische Notenbank soll Yen im Wert von 25 Milliarden Dollar auf den Markt gebracht haben. Die Aktion zeigte Wirkung, der DollarPreis stieg wieder über die 80-Yen-Marke. Allerdings glauben Analysten, dass die Yen-Rückflüsse, ähnlich wie nach dem Kobe-Erdbeben 1995, anhalten könnten.

Die Weltbank verweist aber nicht nur auf Probleme rund um den Yen. Ökonomen haben zuletzt betont, dass Japan als Handelsnation global gesehen nur ein begrenztes Gewicht hat. Nicht einmal fünf Prozent des Weltexports entfallen auf das Land. In Südostasien ist Japans Anteil an den Ausfuhren aber doppelt so hoch. Die Weltbank warnt daher vor Störungen der Lieferketten in Südkorea, Thailand, den Philippinen und China. In Südkorea habe sich beispielsweise der Import von Elektrochips um bis zu 20 Prozent verteuert, in der thailändischen Automobilindustrie drohen bis Ende April Produktionsstillstände.

Angesichts der Turbulenzen hat auch die japanische Regierung am Sonntag verstärkte Maßnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaft angekündigt. Offenbar will Tokio 72 Banken in den vom Erdbeben betroffenen Gebieten mit Steuergeldern aushelfen. (szi, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 21.3.2011)