Die Arabische Liga kritisiert die Militäroperation als überzogen.

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Tripolis/Paris - Mit Luftschlägen gegen die Truppen von Machthaber Muammar al-Gaddafi hat ein von Frankreich, den USA und Großbritannien angeführtes internationales Militärbündnis in den libyschen Bürgerkrieg eingegriffen. Ziele waren zunächst Flugplätze, Fliegerabwehrstellungen, Waffendepots und Panzer.

Der "bisher sehr effektive" Militäreinsatz dient nach den Worten von US-Generalstabschef Michael Mullen nicht dem Sturz des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi, sondern dem Schutz der Zivilbevölkerung. Ab Montag sollen auch die Nachschublinien der Gaddafi-Truppen angegriffen werden. Es sei bereits gelungen, den größten Teil der libyschen Flugabwehr auszuschalten und viele Start- und Landebahnen zu zerstören. Ihm lägen "keine Berichte über erhebliche zivile Opfer" vor, fügte Mullen hinzu. Auch der britische Verteidigungsminister Liam Fox bezeichnete den Start der Militäroperation als "sehr erfolgreich" .

Der Chef der Arabischen Liga, Amr Mussa, kritisierte das Vorgehen der internationalen Streitkräfte. Die Luftangriffe dienten nicht dem in der Uno-Resolution 1973 vereinbarten Ziel, eine Flugverbotszone durchzusetzen. "Wir wollen Schutz für die Zivilbevölkerung und keinen Beschuss weiterer Zivilisten" , sagte er.

Die erste Angriffswelle hatte am Samstagnachmittag unmittelbar nach einem Libyen-Gipfel in Paris begonnen: Französische Kampfflugzeuge bombardierten Panzer, amerikanische und britische Marschflugkörper schalteten libysche Luftabwehrstellungen aus. Auch US-Kampfjets und Tarnkappenbomber waren beteiligt. Die Luftangriffe wurden am Sonntag nach einer Evaluierung der ersten Angriffswelle fortgesetzt.

Dem staatlichen libyschen Fernsehen zufolge wurden bei den Angriffen 48 Menschen getötet und 150 weitere verletzt. Der Nachrichtensender Al-Arabiya vermeldete unter Berufung auf libysche Behörden den Tod von 64 Menschen.

Propaganda mit Toten

Im TV-Sender BBC wurde ein Arzt zitiert, der behauptete, dass Gaddafi bereits vor längerer Zeit Getötete nach Tripolis überführen lasse, um sie als aktuelle Opfer der Angriffe darzustellen.

Gaddafi, der sich mittlerweile an einem unbekannten Ort befindet, kündigte in einer Audio-Botschaft einen langen Abwehrkampf an: "Dies ist jetzt eine Konfrontation des libyschen Volkes mit Frankreich, Großbritannien und den USA: mit den neuen Nazis." Im Krieg gegen die "Kreuzritter" werde "das ganze Mittelmeer zum Schlachtfeld" . Die Gegner bezeichnete er als "Monster" und "Kriminelle" und verglich sie mit Adolf Hitler.

Einem Bericht der arabischen Tageszeitung Al-Sharq Al-Awsat zufolge stießen die Rebellen beim Flughafen von Bengasi auf Behälter mit einer giftigen Substanz. Ihre Behauptung, Gaddafi habe damit einen chemischen Krieg gegen sie führen wollen, ließ sich allerdings nicht erhärten.

Gaddafi-loyale Truppen setzten ihre Angriffe auf Misrata fort. Die Küstenstadt werde von drei Seiten beschossen, sagte ein Bewohner zum Sender BBC. Ein Sprecher der Rebellen sagte, Misrata werde in Grund und Boden geschossen. Die Lage für die Zivilbevölkerung werde dort immer dramatischer.

Zum Schutz der Zivilbevölkerung rief das Rote Kreuz in einer Aussendung auf: "Es muss immer zwischen Zivilisten und Kämpfern unterschieden werden. Direkt gegen die Zivilbevölkerung gerichtete Angriffe sind durch internationales Menschenrecht streng verboten" , wurde Generaldirektor Yves Daccord zitiert. (gian, dpa, Reuters, AFP/DER STANDARD, Printausgabe, 21.3.2011)