Anfang des Monats schien die ÖVP im Aufwind. Der Koalitionspartner wurde in der Heeresdebatte gebremst, Klubobmann Kopf begann eine Parlamentarismusdebatte, das Bildungsprogramm der Volkspartei wurde präsentiert, Werner Amon zum neuen starken Mann in der Schulpolitik gemacht. Die Volkspartei drückte aufs Tempo. So schien es.

Doch die letzten Tage verliefen anders. Wehrsprecher Norbert Kapeller musste zurücktreten, weil in seinem Auto der Behindertenausweis eines verstorbenen Verwandten lag und das Auto mit diesem auf einem Parkplatz in einer Kurzparkzone vor dem Linzer Bahnhof abgestellt wurde. Kapeller beteuerte, seine Frau habe das Auto benutzt.

Und nun Ernst Strasser. Der Delegationsleiter der Volkspartei im EU-Parlament soll mutmaßlich auch als hochbezahlter Lobbyist tätig gewesen ist. 100.000 Euro nahm er für seine Dienste angeblich pro Jahr und Klient. Das bekundet er selbst im Video der Sunday Times. Es gilt - wie oft in diesem Land - die Unschuldsvermutung. Nach tagelangen Berichten und innerparteilichen Zerwürfnissen in der Delegation der Volkspartei im EU-Parlament, forderte Parteichef Josef Pröll Strasser nach der Veröffentlichung des Artikels in der Sunday Times zum Rücktritt auf. Kurz danach folgte Strasser dem Ansinnen, jedoch ohne Entschuldigung. Begründung: Er ortet eine Kampagne, die der Volkspartei schade. Demut sieht anders aus.

Geschadet hat Strasser jedoch nicht nur der selbsternannten "Europapartei" ÖVP. Als Diener zweier Herren ist er Sinnbild für all, das was an Straßburg und Brüssel kritisiert wird. Undurchsichtige Prozesse, Einfluss der Wirtschaft, Lobbyismus, Korruption, Abgehobenheit. Die EU-Skepsis in diesem Land war bislang hoch. Nun trägt ausgerechnet der Delegationsleiter der "Europapartei" dazu bei, dass die EU-Kritiker sich in ihrem Bild bestätigt fühlen. Ein Politiker, der nicht für die Bevölkerung das Beste sondern für sich selbst das Meiste aus seinem Mandat herausholen will, ist die Fleisch gewordene Europaskepsis.

Über Ernst Strasser wird die ÖVP-Delegation personell wohl hinwegkommen. Den Nimbus der "Europa-Partei" ist die Volkspartei jedoch los. Wann auch immer es gilt, die parlamentarischen Abläufe im EU-Parlament zu kritisieren, wird der Name Strasser fallen. Das wird der ÖVP und dem Blick der Bevölkerung auf Europa langfristig, vermutlich negativ, beeinflussen. Das ist der eigentliche Schaden der Lobbyismus-Affäre. (Sebastian Pumberger, derStandard.at, 20.3.2011)