Die Hohe Warte in Wien Döbling ist das Football-Mekka Österreichs. Der Gameday der Raiffeisen Vikings der beste Europas.

Foto: Herbert Kratky

Am Innsbrucker Tivoli regieren die Raiders und halten sich mit tausenden Fans gegenüber der Konkurrenz wacker.

Foto: Herbert Kratky

Am Klo. Diese „Flyer" lagen 2010 bei den Spielen der Dragons gegen die Vikings am (Herren) WC auf. Der für manche sicher originelle Ansatz (man beachte das Giebelkreuz genauer) verrät, dass der Macher über kreative Energie verfügt. Der Dragons Gameday könnte neue Ideen gut brauchen.

Foto: Anonym Foto: Reiterer

Im fünften und nun endgültig letzten Teil dieser Vorschau Serie erzähle ich Ihnen, was Sie bei einem Footballspiel erwartet und was Sie in den kommenden Monaten keinesfalls versäumen sollten.

Der Kanadier Shawn Olson, der lange Zeit in Österreich höchst erfolgreich bei den Vikings trainierte und spielte, erklärte den Unterschied zwischen Fußball und Football stets so: „Beim Football sind die Holligans alle am Feld." Etwas plakativ und auch unzureichend, denn die Bereitschaft seinem Gegner Gewalt anzutun, die ist auf mehreren hundert Seiten streng geregelt. Während mein Balltragendes Gegenüber für mich als Linebacker (beinahe) Freiwild ist, kann an der Line selbst ein zarter Schubser schon eine Holding Strafe nach sich ziehen. Der Stiff Arm darf bei meinem Lauf Richtung Endzone ausgefahren werden, umfassen meine Finger aber das Face Mask des Verteidigers, um diesen dann auch daran zu Boden zu ziehen, dann ist mein Touchdown nicht sechs Punkte, sondern nur mehr 15 Minus Yards wert.

Footballregeln sind kompliziert. Hört man ja oft. Sogar das Abseits ist gar kein richtiges Abseits!

Nun einfach sind Sie tatsächlich nicht diese Regeln und die Verwandtschaft mit dem Schachspiel macht beide gar zu unzärtlichen Cousinen. Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Football kann für den Betrachter auch ohne eingehende Regelkenntnisse aufregend und unterhaltsam sein. Schach schafft das eher nicht. Zugegeben: je mehr man versteht, desto interessanter wird es. Es ist etwas, wo man „reinkippen" kann. Mir ist das so passiert. Obwohl ich es mal für völligen Unfug hielt. Wrestling mit einem eiförmigen Ball - Oh je! Und das meinte ich als Handballer. Vor mittlerweile fast 20 Jahren. Übrigens Handball: Viel härter als Football. Fragen sie Handballer!

Sollten Sie vorhaben 2011 erstmals ein Footballspiel zu besuchen, dann muss ich Sie also vorwarnen: Sie könnten hängen bleiben. Und vergessen Sie nicht, falls zugelegt, ihre kleinen Nervensägen mitzunehmen. Kinder lieben Football. Und der Football liebt die Kids.

Family Events

Seither man in den 90er-Jahren rund um das Spiel selbst auch noch an einem Event gebastelt hat, war dessen Zielgruppe stets klar definiert: Familien. Damit ist auch, aber nicht nur: Mama, Papa, Tochter, Sohn gemeint, denn die Fans des Österreichischen Footballs begreifen sich ganz allgemein als Familie. Sie gehören zusammen und das Vereinsübergreifend. Den Vorwurf der „Verhaberung", den lässt man sich so gefallen, einen Mangel an Rivalität jedoch nicht. Diese herrscht unter den Fangruppen aber eben genau so lange das Spiel dauert, danach geht man wieder zusammen. Man argumentiert, debattiert, streitet und hält sich gegenseitig Glück oder Unvermögen vor. Es geht um Freude. Es geht um: gut leben. (Fast) immer.

Bei den Spielen zwischen den Dragons und Vikings musste man im Vorjahr in Korneuburg erstmals zerkratzte Autolacke (bei Autos von Fans der Vikings) zur Kenntnis nehmen. Eine bisher zum Glück einzigartiger Akt des Vandalismus. Unter den Fans der Dragons gibt es offenbar den ein oder anderen, der die langen Jahre der sportlichen Demütigung seitens des großen Bruders, trotzt der Erfolge in jüngster Vergangenheit, noch nicht verzeihen konnte. Da wird dann auch mal viel kreative Energie in Flyer gesteckt (siehe Bild links), die man dann heimlich auf der Toilette auflegt. Die Dragons als Verein finden das natürlich gar nicht so prickelnd und nicht wenige Vikings Anhänger mieden danach auch das Stadion in Korneuburg, in der man auf Grund der geringen Größe (nur 430 Sitzplätze) sie dazu noch unter recht abenteuerlichen Umständen großteils neben das Spielfeld stellte. Das ist Geschichte - die Drachen spielen 2011 im Stadion des FC Stadlau und damit gibt es genug Platz.

Sie (die Dragons) müssen sich aber, wie die Vikings auch, vorhalten lassen die Rivalität im Vorfeld mit der Absicht geschürt zu haben, um mehr Interesse für die „Blue River Bowl" zu generieren. Die Lackkratzer und „Häusl-Flyer" sind der Bemühungen Kollateralschäden, sozusagen unerwünschte Nebenwirkungen. Die beiden Klubs sind sich dessen bewusst und daher auch bemüht solche Dinge abzustellen, bevor sie richtig anlaufen.

Diese „Eskalation" ist nicht die Spitze eines Eisbergs, sondern bereits der schlimmste Vorfall bei einem Footballspiel seit fünf Jahren. Damals tackelte ein Fan der Graz Giants das Maskottchen der Vikings - Nelly, ein Elephant der den Toy Dolls auf der Hohen Warte entlaufen ist. Was witzig gemeint war, endete mit einem kaputten Kostüm und Prellungen. Ein veritabler Skandal anno dazumal, seither die Polizeikräfte beim Vikings Heimspielen verdoppelt wurden. Es sind nun zwei Polizisten vor Ort.

Ansonsten machen sich Footballfans des Falschparkens vorm Stadion, des Gaströtenschmuggels und einer unerhörten Lärmerregung schuldig. Ich kann Sie und ihre Kinder also guten Gewissens zu Footballspielen schicken. Es wird ihnen nur Gutes dort passieren.

Für Neueinsteiger eignen sich drei Locations: Wien, Graz und Innsbruck.

Die große Chose in der Hauptstadt findet auf der Hohen Warte bei den Vikings statt. Nach meinem persönlichen Geschmack der beste Gameday Europas, sogar besser als manch einer eines Saisonspiels in der NFL. Neben einem sehr stimmungsvoll zelebrierten Einlauf der Teams, legt man hohen Wert auf ein vielfältiges gastronomische Angebot. Neuzugang heuer ist das American Diner "Leaders". Darüber hinaus gibt es vernünftige Burger, Spezialkebabs, einen Coffeeshop und Thai Noodles. Ein Highlight ist „Ali Babas" Bar in der Partyzone (öffnet nach Spielende), denn die wohl härtesten Margaritas von Neudöbling werden dort kredenzt. Barman Ali Nourafshar tritt beim Spiel auch als „Ali auf der Harley", aber das sehen Sie sich alles am besten selbst an. Generell lieben die Vikings Wortspiele und Reime. Das Pumuckl-Syndrom. Die Hohe Warte ist die „Heilige Warte", Schlüsselspieler bekommen Nicknamen verpasst, Stadionsprecher Michael Holub hat über die Jahre zu einem - den Event mitprägenden - Wortwitz gefunden.

Save the date:
Eigentlich wollte ich Ihnen an dieser Stelle und das trotzt der nicht gerade Frühlingshaften Temperaturen den Saisonauftakt am kommenden Sonntag ans Herz legen. Nachdem das Spiel der Vikings gegen die Bulls heute nach Simmering (Footballzentrum Ravelinstraße) verlegt wurde, kann ich das guten Gewissens (keine überdachte Tribüne) nicht mehr tun. Stattdessen empfehle ich die „Blue River Bowl" - Vikings vs. Dragons - am 22. Mai dieses Jahres. Da wird die Hohe Warte bis auf den letzten Platz gefüllt sein.

Ein Termin in Döbling, der unbedingt Rot angestrichen gehört ist der 5. Juni 2011. Das Österreichische Nationalteam wird als Vorbereitung zur WM im Juli im Rahmen der Charity Bowl auf ein US-College treffen. Ein Pflichttermin. Im Vorjahr besiegte das Nationalteam als erstes rein europäisches Team ein US-College. Mehr Infos unter: http://www.charitybowl.at. An dem Tag wird es auch eine von mehreren Executive Lounges (LINK: http://www.vikingslounge.at) geben.

In Graz (Eggenberg) musste der Saisonauftakt wetterbedingt abgesagt werden. Das Spiel gegen die Raiders wäre der Schlager der Auftaktrunde gewesen und wird nun am Wochenende des 2./3. April nachgetragen.

Der Gameday in Graz wird weniger aufwendig als jener in Wien zelebriert, die Stimmung bei Giants Heimspielen ist trotzdem in den meisten Fällen sehr gut. Empfehlen darf ich das erste Spiel der Giants in der UPC-Arena gegen die Raiffeisen Vikings. Am 9. April (Kickoff 14:00) sollten Sie unbedingt in Liebenau vorbei schauen. Die UPC Arena ist auch eine der drei WM-Austragungsstätten und man kann davon ausgehen, dass sich die Grazer für den Tag mehr für ihren Gameday als üblich vorgenommen haben.

In Innsbruck wird dann schon wieder weit mehr Aufwand betrieben, um den Zuschauer auch rund um das Spiel etwas zu bieten. Highlight ist dort das „Tailgaten", eine US-Amerikanische Football Tradition. Es ist das einzige Stadion in Österreich, wo es das gibt. Allerdings wurde das Original stark abgewandelt. Während in den USA am Parkplatz von den Fans „aus dem Kofferraum" heraus große Stücke von Tieren in ein Feuer geworfen werden, um sie danach, mit dem was US-Amerikaner unter Bier verstehen, runter zu spülen, ist das in Innsbruck eine vom Verein organisierte Grillerei vor dem Stadion. Trotzdem eine sehr schöne Sache. Die Raiders haben sich im Gameday Bereich einiges abgeschaut. In Wien und zuletzt auch in Oakland. Die Umsetzung ist gefällig, aber noch ein wenig holprig. Den Stadionsprecher erlebe ich persönlich als extrem fad, die Größe des Tivolis ist dazu manchmal ein Stimmungskiller. Vor allem bei Spielen mit weniger Zuschauern. Bei den „Big Games" raucht es aber auch in Innsbruck gewaltig. Generell ist mir dort zu viel organisiert, zu wenig wird dem Zufall überlassen. Darunter leidet ein wenig der Flair der Veranstaltung. Stimmung lässt sich nicht planen. Die Raiders sind aber eben Österreichs Team mit den meisten und auch größten Plänen. Da könnte man die Zügel ein wenig lockern, um dem Feuerchen mehr Sauerstoff zu geben. Trotzdem für mich Österreichs zweite Top-Location nach der Hohen Warte, um Football auch wirklich zu „erleben".

Save the date:
Kristallglasklare Tiroler Terminempfehlung: Tag der Arbeit. Am 1. Mai (Kickoff 15 Uhr) empfangen die Raiders am Tivoli die Danube Dragons. Die Austrian Bowl Revanche. Letzten Sommer verließen die Donaudrachen erstmals als Sieger Innsbruck und damit ebenfalls erstmals als Staatsmeister ein Spielfeld. Ein historischer Tag für die Dragons, ein ganz bitterer für die Raiders. Das Tivoli wird fauchen! Tickets unter http://www.raiders.at

Eingeschränkte Besuchsempfehlungen

Abhängig von der Organisation könnte sich auch der Gameday der Danube Dragons gut entwickeln. Die Voraussetzungen im Stadion des FC Stadlau sind gegeben. Gute öffentliche Anbindung, genügend Plätze, schöne Anlage und Tribüne. Und die Schar der Dragons Fans ist im Wachsen.

Die Gamedays der Dragons in Klosterneuburg waren noch sehr bescheiden, nach ihrem Umzug ins Rattenfänger Stadion Korneuburg bekamen diese allerdings schlagartig einen echten Event-Charakter, auch wenn (und vielleicht auch weil) es dort viel zu eng war. Die Kurve zeigt steil nach oben und mich würde es nicht wundern, wenn der Dragons Gameday sich heuer zu einem „Must-See" entwickeln würde.

Kärnten gegen den Rest der Welt

Der „Tag des Footballs" für Kärntner ist der 25. April 2011. Die Raiffeisen Vikings gastieren in Villach und mit ihnen eines der vielen Feindbilder des „Dirty South", wie sich der Klub selbst, in Anspielung auf das Hip-Hop Subgenre und die Atlanta Falcons, nennt.

Die „Südstaatler" spielen mit ihrem Underdog-Status und benutzen ihn als Motivation. Und immer wieder sorgen sie für veritable Überraschungen. Zwei Mal konnten sie die Giants bezwingen, sogar auf deren Terrain und im Mai 2009 erwischte es dann auch die Vikings. Zählbares kam am Ende noch nie raus (keine Playoff Teilnahme), aber Kärnten ist und bleibt der Angstgegner beider Rekordmeister. Eigentlich unglaublich. Das ist sexy und an solchen Tagen, auf die man explizit hinarbeitet, sind auch die Fans plötzlich da. Daher ist dieses Spiel auch ein absoluter Pflichttermin.

Das ein erster und natürlich unvollständiger Überblick über das Jahr. Natürlich müssen Sie dann auch unbedingt die WM besuchen, eine Euro Bowl (in Österreich vielleicht) sowieso, auch die Austrian Bowl (im Happel Stadion), aber ich werde Sie hier auch nicht alleine lassen und immer wieder mit Blogeinträgen daran erinnern, was los ist in Football-Österreich.

Die meisten Spiele Live (als Ticker und manchmal auch als Audiokommentar) können Sie auf unserem Portal Football-Austria verfolgen. Die Spiele der Raiders (mit Ausnahme gegen die Vikings) auch in Bildern als formidabler Webstream. (Link: http://www.raiderstv.at/ )

Zum Abschluss persönliche Worte:
Football in Österreich ist für mich eine unglaublich lustvolle Plattform geworden, seine Community ihre Träger und die Inhalte allesamt positiv. Ich habe in meinen bisherigen 43 Lebensjahren kaum eine andere Gemeinschaft erlebt, die so offen ist und dabei ohne Dogmen auskommt. Es ist nichts an Bedingungen geknüpft, bis auf jene, dass man friedfertig ist. Es gibt keinen Mitgliedsausweis, denn die Mitgliedschaft trägt man bereits mit sich. Es ist keine Religion, kein Sekte, kein Club. Es ist einfach nur die gemeinsame Leidenschaft schöne Nachmittage, Abende, Nächte gemeinsam mit und bei einem unglaublich tollen Sport zu verbringen.

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