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"Der Radsport hat sich dramatisch verändert. Er ist zu einer richtigen Weltsportart geworden, nicht nur vor allem auf Europa konzentriert. Er steht auf gesunden Beinen, weil der Weltverband viel dafür getan hat."

Foto: EPA/PETER DECONINCK

Standard: Der Klassiker Mailand - San Remo wird oft im Sprint entschieden. Sie als Sprinter müssten sich auf die sogenannte Fahrt in den Frühling besonders freuen.

Eisel: Prinzipiell schon, aber es hat in diesem Rennen noch nie richtig funktioniert für mich. Einmal war ich Zwölfter, sonst gab es Erkrankungen, Stürze und andere Probleme ...

Standard: ... wie den Auftritt mit Mario Cipollini, dem großen Italiener.

Eisel: Ja, das war 2003. Er hat sich vor dem Sprint von meinem damaligen Teamkollegen Baden Cooke behindert gefühlt, hat ihn im Ziel gesucht und mich gefunden. Ich war der Erste von uns, der ihm über den Weg gelaufen ist, er ist nach dem Trikot gegangen, also hat er mir statt Baden eine reingehauen.

Standard: Und was passiert heuer?

Eisel: Hoffentlich nichts Negatives. Für mein Team HTC High Road schaut es gut aus. Wir haben eigentlich wie immer viel gewonnen - die Katar-Rundfahrt oder Paris-Nizza durch Tony Martin. Und wir haben in Mark Cavendish den besten Sprinter.

Standard: Haben Sie Freiheiten?

Eisel: Sicher bei einigen Rennen, aber bei Mailand - San Remo wird auf Cavendish gefahren. Einen Plan B gibt es da nicht.

Standard: In einer Woche folgt in Belgien der flämische Klassiker Gent-Wevelgem. Auf der Homepage des Rennens wird mit Ihrem Konterfei geworben. Sie haben dort im Vorjahr im Sprint gewonnen. Ist es etwas Besonderes, als Titelverteidiger anzutreten?

Eisel: Die Frühjahrsrennen in Belgien sind ohnehin alle etwas Besonderes. Dort gibt es nur Radsport. Man sagt ja, dass in Belgien bei Schönwetter eine Million Menschen zum Rennen kommen und bei Regen zwei Millionen. Die Begeisterung ist ungebrochen. Ob Gent-Wevelgem, Flandern-Rundfahrt, Flèche Wallonne oder Lütich-Bastogne-Lüttich, es ist jedes Mal ein Fest.

Standard: Sie fahren Ihre elfte Saison als Profi. Wie hat sich der Sport in dieser Zeit verändert?

Eisel: Der Radsport hat sich dramatisch verändert. Er ist zu einer richtigen Weltsportart geworden, nicht nur vor allem auf Europa konzentriert. Er steht auf gesunden Beinen, weil der Weltverband viel dafür getan hat. Heute wird überall gefahren, es gibt durch die strengeren Lizenzkriterien überall professionelle Strukturen und vielversprechende Fahrer.

Standard: Hat nicht eher die Dopingproblematik den Radsport am stärksten verändert?

Eisel: Man muss nicht immer darüber reden, aber okay, wenn man darüber spricht, muss man auch sagen, dass hundertprozentig in keiner anderen Sportart so viel Geld und Energie in den Kampf gegen Doping investiert wird.

Standard: Aber es werden auch in keiner anderen Sportart so viele Doper erwischt wie im Radsport.

Eisel: Das stimmt vielleicht. Man könnte auch argumentieren, dass man sich mit der rigorosen Linie den Sport selbst hinmacht, aber das war der einzig mögliche Weg, um ihn zu retten. Das Bild verändert sich auch, zum Beispiel was den Nachwuchs betrifft.

Standard: Aber was macht das für ein Bild, wenn der Primus der Szene, Alberto Contador, trotz positiver Tests einfach freigeht?

Eisel: Mit dieser Sache beschäftigen sich zig Anwälte, der Radsportverband, die Welt-Anti-Doping-Agentur, wahrscheinlich auch noch der Sportgerichtshof. Was soll ich da noch dazu sagen, wenn ohnehin keiner weiß, was mit Contador gemacht werden soll? Aber abgesehen davon sagen viele Teams und Fahrer seit Jahren, dass Doping eben Doping ist und es mit kurzen Sperren nicht getan ist. Die Sperren sollten vier, fünf Jahre dauern. Der größte Schwachsinn ist, dass Informanten ungeschoren davonkommen.

Standard: Wurden Sie selbst heuer schon kontrolliert?

Eisel: Ja, mehrmals, und das ist auch gut so. Wir haben auch interne Tests, das Team investiert viel Geld, und die Fahrer zahlen selbst nicht wenig dafür. Dazu gibt es den Blutpass des internationalen Verbandes. Das gehört eben zum Profidasein dazu wie der "one hour slot", die Stunde am Tag, in der ich für Tests anzutreffen sein muss, wobei ich natürlich jederzeit getestet werden kann. Durch diese Regelung habe ich auch ein Leben abseits des Radsports. Das steht mir ja schließlich zu.

Standard: Der Ruf hat durch die vielen Dopingfälle sicher gelitten. Sind Sie oft mit der Behauptung konfrontiert, dass ohnehin alle, also auch Sie, aufgeblasen sind?

Eisel: Ach das kommt schon vor, aber damit muss ich leben, solche Erfahrungen hat jeder. Die Menschen denken, was sie wollen. Oft ist es ja auch ein Problem der Berichterstattung, des Prinzips Copy and paste. Da wird irgendein Artikel irgendeiner spanischen Zeitung kopiert, noch dazu in schlechter Übersetzung. Zum Glück wird der Radsport in Österreich ignoriert. (Sigi Lützow, DER STANDARD, Printausgabe, Samstag, 19. März 2011)