Zu den Highlights gehören Raritäten wie diese florentinische Madonna, im 16. Jh. vom "Meister ungezogener Kinder" geschnitzt.

Foto: QUATTRONE

Gut besuchte Vernissagen erfreuen eher den Veranstalter als die Teilnehmer von Kunstmessen. Zumindest hierzulande darf man von überdimensioniertem Eröffnungsgedränge nicht automatisch auf einen wirtschaftlichen Erfolg schließen. Eher das Gegenteil lehren die Erfahrungswerte. Bei Messen wie der derzeit stattfindenden Wikam (Wiener Internationale Kunst und Antiquitätenmesse, Künstlerhaus, bis inkl. 20. 3.) wird das Gros der Verkäufe an den deutlich weniger frequentierten Wochentagen und vor allem am zweiten Wochenende abgewickelt. Der Jubel ist aktuell jedenfalls den Jahrestagen gewiss, dem 15. der Messe und dem 150. des Künstlerhauses. Die Zwischenbilanz sei eine positive, "sehr gut", so das Fazit des Verbandspräsidenten Horst Szaal, der seinen 34 Ausstellern Zufriedenheit als gemeinsamen Nenner attestiert.

60 Prozent des Jahresumsatzes

Derweilen übt man sich im 825 km Luftlinie entfernten Maastricht in der Pflege des Superlativs. Anlass ist die Tefaf (The European Fine Art Fair, bis 27. 3.) und mit ihr die weltweit wichtigste Messe für Kunst und Antiquitäten. Die Mehrheit der Aussteller wird hier ein Viertel, wenn nicht 60 Prozent des Jahresumsatzes erwirtschaften - und das Meiste davon in den ersten Öffnungsstunden. Das ist erwiesen und wird erwartet. Die allgemeine Atmosphäre auf dem Markt macht zuversichtlich, auch die Chronik der Messe selbst.

Was hat es außerhalb des hier zusammengetragenen Qualitätsuniversums nicht schon für Krisen gegeben, die man souverän parierte: Die Ölkrise Ende der 70er-Jahre meisterte man ebenso wie die beiden Golfkriege, die Baisse des Kunstmarktes Anfang der 90er genauso wie die jüngeren Finanzmarktkapriolen - der Flucht in Sachwerte sei Dank. Daran werden vorerst wohl weder die Katastrophe in Japan noch das Säbelrasseln in Libyen etwas ändern.

Ein einziges Mal in der Geschichte der Messe bekam man auf die Frage nach Verkäufen von nahezu allen ein überraschendes "Nichts" zu hören. Das war 1998, als die holländischen Steuerbehörden mit VAT-Prügeln drohten. Von jedem einzelnen hier abgeschlossenen Besitzerwechsel wollte man profitieren, und also wurde offiziell nichts verkauft.

Inoffiziell könnte sich keiner der 260 aus 16 Ländern angereisten Kunsthändler und Galeristen eine solche Bauchlandung leisten. Der finanzielle Aufwand der Teilnehmer schlägt sich (exkl. Standmiete) mit geschätzten 14 Millionen Euro zu Buche.

Nur ein im Rahmen der diesjährigen Auflage präsentiertes Kunstwerk bleibt unverkäuflich: Das 17. BMW Art Car, dessen psychedelischen Look Jeff Koons kreierte. Nein, weder Shuttledienste noch Probefahrten mit dem M3 GT2, da bleibt die BMW Group Nederland unerbittlich. Immerhin, in einer virtuellen Rennfahrt steht übers Web eine temperamentvolle Tefaf-Tour auf dem Programm, mit rasanten Bremsmanövern vor Rembrandts 47 Millionen Dollar teurem Porträt eines Mannes (Otto Naumann, New York) oder Renoirs blumenpflückender 15-Millionen-Liebschaft (Galerie Dickinson, London).

Qualität österreichischer Provenienz gilt es abseits solcher Imageclips zu entdecken: Etwa beim Ausstellerquintett (Galerie St. Lucas, Salis & Vertes, Galerie Faber), bei Wolfgang Bauer (Bel Etage) der in den ersten Öffnungsstunden drei Beispiele feinster Jugendstiltischlerkunst an Sammler aus New York, Belgien und Deutschland weiterreichte. Wienerroither & Kohlbacher waren nach wenigen Stunden um eine Arbeit Egon Schieles ärmer und um einige Interessenten für die Marmorskulptur George Minnes (Kniender Jüngling, um 1901; 950.000 Euro) reicher. Zwischen Bernheimer-Colnaghi (München/London) und Richard Green (London) stößt man bei Johnny van Haeften (London) zudem auf Österreichs historischen Auktionssuperlerativ: Auf das vergangenen April im Dorotheum für 7,02 Millionen Euro versteigerte narrative Sujet des Menschen am Scheideweg zwischen Tugend und Laster, um 1635 von Frans Francken gemalt.

Seit damals versucht van Haeften nun einen Käufer zu finden, in den Galerieräumen in der Doverstreet, dazu bei anderen Messen in Europa (9,5 Mio. Pfund / 11,48 Mio. Euro) oder über eine Sonderausstellung bei Sotheby's in New York. Aktuell beginnen die Verhandlungen bei 14 Millionen Dollar (10,04 Mio. Euro). In der Branche gilt der Maastricht-Auftritt als eine der letzten Möglichkeiten, das theatralische Pandämonium gewinnbringend zu veräußern - weniger wegen finanzkräftiger Spontankäufer, die Schlange stünden, sondern weil das Bild während der zwölfmonatigen Präsentationstour jedwede Marktfrische verlor und die Mehrheit der potenziellen Interessengemeinschaft kein Interesse bekundete. Die verständliche und anhaltende Vermarktung des erzielten Auktionsrekordes seitens des Dorotheums dürfte dabei auch keine Schützenhilfe sein. (Olga Kronsteiner, DER STANADRD/ALBUM - Printausgabe, 19./20. März 2011)