Disput um die Staustufe Graz: Vernichtung von Lebensraum seltener Tiere versus Beitrag zur Nutzung der Wasserenergie.

Foto: Verbund

Graz - Wann, wenn nicht jetzt soll über Alternativen zur Atomenergie nachgedacht werden? Etwa über einen verstärkten Ausbau der Wasserkraft. Eine exemplarische, sehr kontroversielle Diskussion dazu trägt derzeit in der steirischen Landeshauptstadt Graz zu.

Hier formiert sich weiter ein erbitterter Widerstand gegen das Projekt einer Staustufe mitten in der Stadt. Der Landeskonzern Energie Steiermark AG will im Süden der Stadt ein Staukraftwerk errichten, das 20.000 Haushalte mit Strom versorgen soll. Es soll Teil einer Kraftwerkskette werden, die die Steirer gemeinsam mit dem Verbund die Mur entlang rund um Graz anlegen wollen.

Das städtische Projekt beinhalte auch neue Freizeitangebote am Wasser, was wiederum neue Lebensqualität in die Stadt bringen werde, lockt der Energiekonzern. Die Gegner kontern mit Artenschutz. Die Auen südlich von Graz zählten zu den besonders schützenswerten Flusslandschaften, seltene Arten wir Fischotter, Eisvogel, aber vor allem der besonders seltene Huchen wären in ihrer Existenz stark bedroht.

Durch die Atomkatastrophe in Japan sieht sich der Landesenergiekonzern jedenfalls bestätigt, auf der richtigen Seite zu stehen. In einem offenen Brief an Greenpeace unterstreicht die Konzernleitung, dass sie "voll auf erneuerbare Energie" setze und auch weiterhin "ausschließlich atomfreien Strom" liefere. 220 Millionen Euro habe das Unternehmen 2010 in Projekte erneuerbarer Energie gesteckt. Greenpeace werde eingeladen, an der neuen Unternehmensstrategie der "Green Energy" mitzuwirken. "Wir machen Sie jedoch gleichzeitig darauf aufmerksam, dass wir für eine aktionistische Behinderung unserer Alternativenergieprojekte wie das Murkraftwerk in Graz kein Verständnis haben", warnt die Vorstandsspitze unverblümt.

"Populismus"

Clemens Könczöl, Sprecher der Bürgerinitiative "Rettet die Mur", zeigt sich über die Argumentation der Energie Steiermark erbost. Könczöl: "Das ist unseriöser Populismus, jetzt im Zusammenhang mit dieser Murstufe einen direkten Zusammenhang mit Japan herzustellen. Hier wird mit der Angst der Bevölkerung gespielt."

An den Einwänden gegen das Kraftwerk - seine Initiative hat am Donnerstag Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) und seiner Stellvertreterin Lisa Rücker (Grüne) 30.000 Unterschriften überbracht - habe sich durch die Atomtragödie in Japan nichts geändert.

Es gehe hier in Graz nach wie vor um den Artenschutz, die Atomdiskussion dürfe "nicht auf dem Rücken der Tiere ausgetra-gen werden". Es sei "natürlich nicht allein der Tierschutz". Die Stadt verliere durch die Rodung von 8000 Bäumen an Lebensqualität - auch wenn die Bäume anderswo wieder nachgepflanzt würden. Die Bevölkerung stehe hinter der Initiative. Der Gemeinderat, der mehrheitlich für das Stauprojekt votiert, sei "nicht repräsentativ.

Unterstützung bekommt die Bürgerbewegung von den Grünen, wobei deren Ablehnung mit dem Quadrat der Entfernung von Graz differenzierter ausfällt. Die Bundessprecherin der Grünen, Eva Glawischnig, zeigt sich grundsätzlich weniger abgeneigt gegen Wasserkraftwerke als ihre grünen Parteifreunde vor Ort.

Auch die Landesgrünen wollen nicht länger als Fundis abgestempelt werden. Die Klubchefin im Landtag, Ingrid Lechner-Sonnek möchte festgehalten wissen, dass sie ebenfalls nicht grundsätzlich gegen Wasserkraft sei, auch nicht speziell gegen dieses Kraftwerk in Graz. Ihre Kritik an derartigen Projekten sei grundsätzlich. Lechner-Sonnek: "Ich frage mich: Wann hört das auf, wie viele Kraftwerke wollen wir noch bauen, damit unser Energiehunger gestillt wird?"

Für Lechner-Sonnek geht es darum, "aus der Energiespirale herauszukommen und den Energiebedarf endlich zu senken". Die Grünen-Klubobfrau: "Wir müssen herunter vom hohen Energiekonsum. Es gibt tausende Möglichkeiten den Verbrauch zu drosseln. Das bringt mehr Energieeffizienz als solche kleinen Kraftwerke wie die Grazer Staustufe, die obendrein noch Naturraum zerstört.

Eine von Nagl geplante Volksbefragung wurde indessen auf unbestimmte Zeit verschoben. (Walter Mülle/DER STANDARD, Printausgabe, 19.3.2011)