Man kann nur hoffen, dass die "Stresstests" für die 143 europäischen Atomkraftwerke nicht das Schicksal ihrer Geschwister aus dem Finanzsektor erleiden werden. "Banken-Stresstests", die wurden vor einem Jahr als Allheilentspannungsmittel zur Euro-Krise gemacht und "verkauft". Alle gecheckten 69 Institute wurden für ungefährdet erklärt. Wenige Monate später krachte beinahe der irische Bankensektor zusammen, was durch Hilfskredite von rund 80 Milliarden Euro verhindert wurde.

"Sicherheit" steht und fällt ganz mit der Prüfungsqualität. Die war bei Banken schlecht, weil die Kriterienauswahl Mängel aufwies. Bei den Stresstests für AKWs ist besonders große Vorsicht angebracht, weil es punkto Reaktorsicherheit - im Gegensatz zum Finanzsektor - praktisch keine verbindlichen gemeinsamen Regeln gibt. Die Verantwortung für AKWs liegt allein in nationaler Hand, so wie die EU auch nicht mitzureden hat bei der Wahl des Energiemix, auf den ein Mitgliedsland baut.

Wer nach welchen Kriterien was und wo prüfen darf oder nicht, das alles muss erst geklärt werden. Bisher haben sich Regierungen nur bereiterklärt, "freiwillig" mitzumachen. Vorläufig sind neben ihnen auch nur die Nuklearindustrie und nationale Behörden eingebunden - keine kritischen Wissenschafter, keine NGOs. Viel mehr als ein Placebo sind die Stresstests daher vorläufig nicht. Wer mehr AKW-Sicherheit will, muss eine Reform der EU-Verträge anstoßen. (Thomas Mayer /DER STANDARD, Printausgabe, 18.3.2011)