Der Berliner Maler Kim Nekarda lässt innere menschliche Organe zu Gebilden werden.

Foto: Kunstraum Innsbruck

Innsbruck - Als Erstes sticht eine kopflose, überlebensgroße Figur ins Auge, eingehüllt in einen dunklen, abgetragenen Mantel, leicht gebückt, auf einen Stock gestützt. Kein Zweifel, ein alter Mensch. Aber statt zweier Beine tragen den Mantel ein Dutzend kleiner Kinderbeinchen. Es ist eine schwere Last, die sie zu tragen haben. Die Skulptur stammt aus der Serie City of the Old der jungen Tschechin Eva Kotatkova (geb. 1982). Sie ist eine von fünf Künstler/innen, die ihre Arbeiten im Kunstraum Innsbruck unter dem sperrigen Titel Starke Emergenz zeigen.

Unter Emergenz versteht man das plötzliche Entstehen neuer (hier künstlerischer) Strukturen in einem komplexen System, das, wie im Falle der starken Form der Emergenz, auch nicht erklärbar ist. Der Wiener Daniel Egg (geb. 1973) kreiert ein "sichtbargesprochenes" Alphabet. Mithilfe von beleuchtetem Zigarettenrauch vor schwarzem Hintergrund fotografiert er jene speziell geformte Atemluft, die beim Aussprechen entsteht. 26 Fotografien zeigen die individuelle "Luftlautform" jedes einzelnen Buchstabens.

Tier und Mensch

Die Polin Agnieszka Brzezanska (geb. 1972) lässt in ihrer Videoarbeit wabernde Strukturen sanft ineinanderfließen. Es sind giftige Industrieabwässer in einer Kloake. Fünf großformatige Arbeiten des Berliner Malers Kim Nekarda (geb. 1972) zeigen innere menschliche Organe, die Teil eines geheimnisvollen Gebildes zu sein scheinen. Und die türkischstämmige Berlinerin Özlem Altin (geb. 1977) heftet in ihrer Installation private Fotos aus einem Uralt-Familienalbum, neben Zeitungsausschnitten und Tierporträts an die Wand.

Starke Emergenz ist die erste Ausstellung im Innsbrucker Kunstraum unter der neuen Führung. Anfang diesen Jahres hat der deutsche Museumsfachmann und Ausstellungsmacher Veit Loers die kommissarische Leitung übernommen. Sein Vorgänger Stefan Binder ist einem Ruf nach Wien gefolgt. (Dorothea Nikolussi-Salzer/ DER STANDARD, Printausgabe, 18.3.2011)