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Giancarlo Galan 2006

Foto: APA/ Eggenberger

Zwei Wochen nach dem Schwanengesang von Kulturminister Sandro Bondi, nicht einmal seine Parteifreunde brächten Verständnis für ihn auf, wurde Letzteres ihm nun doch seitens des Premiers entgegengebracht. Bondis Rücktrittswünsche gingen in Erfüllung. Ministerpräsident Silvio Berlusconi erklomm am Mittwoch den Quirinalshügel und legte Staatspräsident Giorgio Napolitano ein neues Kabinettstück vor, das sich auch des Segens des immer stärker werdenden Koalitionspartners Lega Nord erfreut.

Ein Mann aus dem Norden für die zerrüttete Kultur, die gerade im Süden, namentlich Pompeji, bröckelt. Der bisherige Landwirtschaftsminister Giancarlo Galan aus Venetien soll fortan das italienische Kulturfeld bestellen, und Stimmen, er werde dies besser als sein Vorgänger tun, lassen sich nicht nur aus der Opposition vernehmen. Bondi, der als Hobbydichter eine Schwäche für Schöngeistiges hat, ist vor allem am Umgang mit den Zahlen und in der Kunst der Verwaltung gescheitert.

Italiens Kulturschaffende hatten mehrfach gegen die Einschnitte im Kulturhaushalt protestiert. Dies führte im Jänner gar zu einem Misstrauensantrag der Opposition, den Bondi jedoch dank der Stimmenthaltung der Südtiroler Volkspartei (SVP) - die als Gegenleistung freie Hand im Umgang mit Relikten aus faschistischer Zeit erhielt - überstand.

Kulturkahlschlag

Immer wieder beteuerte der unglückliche Minister-Dichter, nicht er sei schuld, sondern Italiens strenger Finanzminister Giulio Tremonti sei der Buhmann, der unter dem Motto "Kultur macht nicht satt", den Rotstift gnadenlos ansetze. Wenig Eindruck machten auf Tremonti Bondis Klagelieder, doch auch Riccardo Mutis Stab mochte ihn nicht umstimmen, als der Dirigent ihn meisterhaft gegen den Kulturkahlschlag erhob: Während Verdis Nabucco-Premiere Anfang März auf der römischen Opernbühne forderte Muti nach der berühmten Gefangenenchor-Szene das Publikum auf, das just besungene Schicksal der "patria perduta" - der verlorenen Heimat - allesamt neu anzustimmen, denn wenn Italien die Kunst und die Musik verlöre, sei auch das Land verloren.

Als hoffnungslos verloren erklärte auch der angesehene Archäologe Andrea Carandini die Kultursituation und verließ am 13. März aus Protest gegen die Kürzungen die Präsidentschaft des Obersten Rats des Ministeriums.

Inmitten all dieser Gesten, die einer gewissen - italienischen - Tragik nicht entbehren, schlug eine eher nüchterne Nachricht wie eine Bombe ein. Schuld am Einsturz etwa zweitausendjähriger Bauten in Pompeji oder mittelloser Opernhäuser sei nicht das fehlende Geld, sondern die Unfähigkeit des Ministeriums, dasselbe auszugeben. Die katholische Tageszeitung Avvenire, die nicht im Ruf steht, Kritik an der Regierung zu ihrem Steckenpferd gemacht zu haben, veröffentlichte offizielle, bis auf die Stellen hinter dem Komma detaillierte Zahlen aus dem Kulturhaushalt 2010. Von den 991.297.847,23, die nach den reinen Verwaltungsausgaben dem Amt zur Kulturförderung zur Verfügung standen, befanden sich Ende des Jahres noch 545.231.631,09 Euro unangerührt in der Kasse.

Mit anderen Worten: Das Ministerium ließ mehr als die Hälfte der ohnehin knappen Mittel ungenutzt. Was, laut Avvenire, den stellvertretenden Kabinettschef des Ministeriums, Mario Guarany, dazu veranlasste, die verantwortlichen Funktionäre darum zu bitten, Abhilfe zu leisten und das Geld auszugeben - natürlich sinnvoll. Bleibt zu hoffen, dass Giancarlo Galan, der Erfahrung in einem so bodenständigen Bereich wie der Landwirtschaft sammelte, dies bewerkstelligen wird, vorausgesetzt, dass es in Kürze zu seiner Vereidigung kommen wird. (Eva Clausen aus Rom/ DER STANDARD, Printausgabe, 18.3.2011)