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Kleinkinder mit schmerzenden Gelenken bewegen sich vorsichtiger und ändern ihr Spielverhalten.

Mit dem Begriff Rheuma werden alte Menschen und keine Kleinkinder assoziiert. Dabei ist niemand zu jung für eine chronisch entzündliche Gelenkerkrankung. Die Zahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen steigt. Allein in Österreich geht man derzeit von rund 1.500 Rheumapatienten unter 16 Jahren aus.

Das tägliche Leben meistern

Allein an der Innsbrucker Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde werden 450 rheumatologische Patienten betreut. Die Mehrheit davon ambulant. Stehen entzündliche Prozesse im Bereich der inneren Organe im Vordergrund - wie beim systemischen Lupus erythematodes - dann werden die jungen Patienten stationär behandelt.

"Das Credo der Behandlung lautet heutzutage, dass die Kinder möglichst wenig Zeit im Krankenhaus, dafür aber viel Zeit in ihrer häuslichen Umgebung verbringen können", so Jürgen Brunner, geschäftsführender Oberarzt an der Innsbrucker Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde. "Die Kinder gehören in die Schule, in den Kindergarten. Sie sollen ihr tägliches Leben meistern können. Sie spielen Fußball und fahren Schi. Man sieht ihnen nicht an, dass sie krank sind", fährt er fort.

Früherkennung wichtig

Damit man den Kindern die Krankheit tatsächlich nicht ansieht, muss die Erkrankung allerdings früh diagnostiziert und richtig behandelt werden. "Die Bevölkerung und auch Ärzte assoziieren Rheuma mit gesteigertem Lebensalter", beschreibt Brunner die größte Schwierigkeit bei der Diagnostik und ergänzt: "Die Familien haben eine relativ lange Vorlaufzeit, bis sie an jemanden kommen, der sich mit Kinderrheumatologie auskennt." 

Er erzählt davon, dass die typische Krankheitsgeschichte mit dem Aufsuchen von Orthopäden oder Unfallchirurgen beginnt. "Dann wird ein Gips angelegt, aber dadurch wird die Gelenkschwellung nicht besser", betont der Kinderrheumatologe. Bei Gelenksschwellungen, die durch vorausgehende Unfälle nicht erklärbar sind, empfiehlt er den Gang zum Spezialisten. "In dem Moment, wenn man daran denkt, dass ein dickes Gelenk auch eine entzündliche rheumatische Erkrankung sein kann, haben die Patienten schon zu 50 Prozent gewonnen", betont Brunner.

Augenarzt aufsuchen

Zur Diagnostik gehört der Besuch beim Augenarzt zwingend dazu. "Rheumatische Gelenksentzündungen können auch mit entzündliche Augenerkrankungen einhergehen, die weder die Kinder noch die Erwachsenen wahrnehmen können", macht der Innsbrucker Experte aufmerksam. Der Augenarzt untersucht, ob sich entzündliche Zellen im Auge finden. Ist die Diagnose gesichert, stützt sich die Behandlung auf mehreren Säulen. Von der medikamentösen Behandlung, über die Physiotherapie, bis hin zur Ergotherapie, die bei Auftreten von Gelenksfehlstellungen notwendig wird.

Krankheitsbilder bei Kindern

"Rheuma ist ein sehr großer Topf von Erkrankungen. Medizinisch korrekt werden sie als Auto-Immun-Erkrankungen bezeichnet. Die Manifestation betrifft dabei ganz unterschiedliche Organsysteme. Sind die Gelenke befallen, dann spricht der Volksmund von Rheuma", erklärt Brunner. Während bei Erwachsenen im Wesentlichen ein Krankheitsbild, die chronische Polyarthritis vorkommt, finden sich bei Kindern sieben Untergruppen, die je nach Lebensalter ganz unterschiedlich imponieren.

Typische Symptome sind geschwollene Gelenke und schmerzhafte Bewegungseinschränkungen. Vor allem Kleinkinder zeigen dann auch ein anderes Spielverhalten. "Sie bewegen sich vorsichtiger, werden ruhiger und spielen weniger, weil ihnen die Hände und Füße wehtun", so der Experte.

"Kleinmädchenform"

Die häufigste Form von „Kinderrheuma" ist die frühkindliche Oligoarthritis, auch Kleinmädchenform genannt. "Das sind Mädchen zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr, bei denen insbesondere zwei oder drei der großen Gelenke, also Hand- Knie- oder auch Sprunggelenke, betroffen sind ", schildert Brunner.

Juvenile ideopathische Arthritis dient als Oberbegriff für rheumatische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. "Ideopathisch" steht dabei für die nicht bekannten Ursachen der Erkrankung. "Juvenil" bezieht sich auf das Auftreten der Beschwerden vor dem 16. Lebensjahr. Autoimmunopathien, also Autoimmunkrankheiten bei denen sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper richtet, sind laut Brunner generell bei Mädchen häufiger anzutreffen. Das ist bei der juvenilen ideopathischen Arthritis nicht anders. Laut Brunner sind zwei Drittel der Betroffenen Mädchen.

Tendenz steigend

Generell bestehe in der heutigen Zeit in Mitteleuropa und Nordamerika die Tendenz zur Zunahme von Autoimmunopathien, so der Kinderrheumatologe. "Rheuma bei Kindern wird heutzutage aber wohl auch deshalb öfter diagnostiziert, weil die Aufklärung eine bessere geworden ist. Vor allem bei den Kinderärzten hat sich viel getan." Nachholbedarf an Information zu rheumatischen Erkrankungen bei Kindern sieht er aber noch bei niedergelassenen Allgemeinmedizinern.

Das Pflegen internationaler Zusammenarbeit, im Sinne einer engeren wissenschaftlichen Kooperationen, sieht Brunner als wichtigstes Ziel des ersten transalpinen Treffens von Kinderrheumatologen aus Österreich, Italien, Deutschland und der Schweiz. Der Kongress soll auch dazu dienen, Erfahrungs- und Vergleichswerte der rund 70 teilnehmenden Ärzte zu sammeln und "die Möglichkeit der länderübergreifenden Dokumentation der Krankheitsbilder in bestimmten Registern zu diskutieren." (Güler Alkan, derStandard.at, 17.03.2011)