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The Tiger Lillies gastieren mit ihrer "Freakshow" im Gasometer.

Foto: REUTERS/Ints Kalnins

Wien - Martyn Jacques und seine Kollegen von The Tiger Lillies aus London wurden hierzulande vor gefühlten zehn Jahren und gut 20 Alben dadurch bekannt, dass sie im Rahmen der Wiener Festwochen einst den Struwwelpeter als eine schattseitige Sideshow im Stile eines Varietétheaters des 19. Jahrhunderts interpretierten. Mit gemeingefährlicher Falsettstimme und Arrangements, die seither vor allem von Akkordeon und Bass-Schlagzeug-Begleitung dominiert werden, haben sich die Musiker aus dem Umfeld der Postpunk-Legende Siouxie and the Banshees seitdem darauf spezialisiert, vor allem den lichtabgewandten Seiten des Entertainments kleinkünstlerisch Hochwertiges abzuringen.

In dieser Welt drängt alles nicht etwa Richtung Erlösung und zum Licht. Vorher haben sich Künstler und Hörer noch durch die scheinbar ewig währende Nacht zu quälen und sich mit deren bizarren Bewohnern auseinanderzusetzen. Kein Wunder, dass The Tiger Lillies deshalb längst als Routiniers gelten, wenn es darum geht, menschlichen Abgründen in Form der Groteske zu begegnen. Zu bedrohlichen Weißclown-Masken wird zähnebleckender Sarkasmus stolz als Monstranz auf die Bühne getragen.

The Tiger Lillies beschäftigen sich im Rahmen ihrer Liederzyklen mit dem Zirkus, Begräbnissen, den sieben Todsünden. Sie haben die Zweigroschenoper und das Mädchen mit den Streichhölzern neu vertont.

Sie singen über Tod und Krieg, die Bibel und Blasphemie. Und sie werden in ihrer hochartifiziellen Kunst der Klischeeverdichtung nur dann Ruhe geben, wenn auch das letzte dunkle Eck des Daseins mittels Schifferklavier ausgeleuchtet scheint. Eine Empfehlung für Menschen, die André Heller als zu verbindlich einstufen. (schach, DER STANDARD - Printausgabe, 15. März 2011)